Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kayankaya 4 - Kismet

Kayankaya 4 - Kismet

Titel: Kayankaya 4 - Kismet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Arjouni
Vom Netzwerk:
Küchengehilfe im Saal, übernahm den Zapfhahn, und der Wirt winkte mich ans Tresenende.
    »Isch waas iwwerhaupt net, von was für ‘ne Ahmee Sie da rede. Isch fuhr ’ne Wertschaft, kaan Krieg.«
    »Dafür haben Sie sich aber zügig davongemacht, als ich die Armee erwähnt habe.«
    »Ei, gucke Se sisch doch an. Wenn aaner so ‘ne Fress’ hat und aach noch dumm rumbabbelt, bin isch Pyschadä?«
    Ich betrachtete sein rundes Gesicht. Nichts deutete darauf hin, daß er log. Er war das Bild eines netten dicken Mannes, der keine Aufregung in seinem Leben duldete. Und er schaffte es, diesen Schrottladen so zu schmeißen, daß eine Menge Leute sich wohl fühlten und die Kasse vermutlich stimmte. Er würde niemals wissen wollen und schon gar nicht darüber reden, ob irgendwer unter seinen Gästen Mitglied einer Schutzgelderpresserbande war. Allerdings würde er Nachrichten am Telefon entgegennehmen und sie weiterleiten und sich seinen Teil denken. Und er würde einem wie mir, der diesen Teil aus ihm rauskriegen wollte, den ahnungslosen Jahrmarkt-Hessen geben.
    Ich deutete auf das gerahmte Foto. »Wer ist das?«
    Sein Blick folgte meinem Fingerzeig, und als er wieder zu mir sah, war zum ersten Mal etwas Unangenehmes in seinen Augen. Verärgert antwortete er: »Unsä President.«
    »Meiner auch? So kenn ich ihn gar nicht.«
    »Falls Ihne des net klar sein solide, Sie sin hier inem kroatischen Restaurant. Des is meine Heimat, da schläscht mein Hetz.«
    »Ah.«
    »Was sin Sie von Beruf? Frachestellä?« Aus dem netten dicken Mann wurde jetzt zunehmend ein Fettwanst mit fanatisch funkelnden Augen. »Privatdetektiv«, antwortete ich und fuhr, ohne ihn zu Wort kommen zu lassen, fort: »Sie haben gesagt, Sie führen ‘ne Wirtschaft und keinen Krieg. Und Sie haben gesagt, in Kroatien schlägt Ihr Herz. Was trägt Ihr Präsident da für ’ne lustige Uniform?«
    Erst stutzte er, dann wurde er laut: »Lustisch?!« Und nachdem schon seit einer Weile keine Musik mehr lief, erstarb nun auch das Stimmengewirr.
    »Was fällt Ihne ein?! Lustisch!«
    Ich sah zwischen dem Foto des Präsidenten und dem rot angelaufenen Wirt hin und her. So genau wußte ich selber nicht, was mir einfiel. Aber nach über einer Woche überkam mich endlich eine Ahnung, was es mit dem albernen Namen >Armee der Vernunft< auf sich haben könnte. >Vernunft< war auf Doktor Ahrens’ Mist gewachsen, da war ich mir sicher. Zu sehr hatte er dieses Wörtchen geschätzt, ob nun deshalb, weil er einen tieferen Sinn damit verband, oder weil er es einfach für >interessant< hielt. Doch >Armee<, so glaubte ich, kam aus einer anderen Ecke. Zum Beispiel aus einer, wo man Krieg für eine ehrenwerte Angelegenheit und Uniformen für schmuck hielt. Mit der Bezeichnung >Armee< könnte man dort glauben machen wollen, man sei statt einer durchschnittlichen Gangsterbande etwas Höheres, Reines, einer guten Sache Dienendes. Und vielleicht diente man zum Teil ja sogar einer sogenannten guten Sache. Es wäre nicht die erste Bande, die ihre Sauereien damit zu weihen versuchte, daß sie null Komma soundso viel Prozent der Einnahmen dazu verwendete, einigen Armen ein paar Brote hinzuwerfen.
    »Okay, nicht lustig. Aber eine Uniform. Mag er so ‘ne Kostümierung, oder ist das offizielle kroatische Präsidentenkluft?«
    Inzwischen war kein Gabelkratzen und kein Flaschenklirren mehr zu hören, und der Wirt und ich befanden uns auf einer Bühne. Ich fragte mich, wie lange das Publikum, wenn es noch etwas höher herginge, sich aufs Zuschauen und Zuhören beschränken würde. Und ich schätzte, wie viele Sekunden ich brauchte, um zur Tür hinauszukommen.
    Nachdem der Wirt mich eine Weile angestarrt hatte, als ob ich seinem Präsidenten die goldenen Knöpfe stehlen und als Scheißhausarmaturen verwenden wollte, riß er sich zusammen und erwiderte, so ruhig er konnte: »Isch glaab, mer hawwe genuch geredt. Des Bier geht uff misch. Mache Se, daß Se fottkomme.«
    Ich schüttelte den Kopf. Dabei kam es mir vor, als bewege sich im hinteren, dunklen Teil des Saals etwas. Ich trat einige Schritte zur Tür zurück, bis ich sämtliche Gäste im Blick hatte. An konkreten Hinweisen war hier für mich nichts mehr zu holen, um das zu wissen, mußte ich nur in die versteinerten Gesichter sehen. Ob sie nun so genau mitbekommen hatten, womit ich den Wirt auf die Palme brachte, oder nicht - es war ihr Wirt, ihr Laden, und ich störte. Aber vielleicht konnte ich so viel Unruhe stiften, daß dem einen oder anderen

Weitere Kostenlose Bücher