Kayankaya 4 - Kismet
können. Während es die Frau alle Kraft kostete, ihre Gesichtsmuskeln im Zaum zu halten, kratzte sich Leila am Kopf und sah mit gerunzelter Stirn vor sich hin, als überlege sie, was nun eigentlich noch mal der Grund war, weshalb sie hier bei alte Fotze rumsaß.
»Können Sie das verstehen?!« brachte die Frau schließlich hervor. »Da kümmert man sich Tag und Nacht, und was bekommt man zum Dank?«
»Heißt sich Tag und Nacht kümmern dummes Zeug zu erzählen?«
»…Bitte?«
»Sie haben’s schon kapiert. Warum wollen Sie das Mädchen unbedingt weghaben, seit ich was von Schutzgelderpressern gesagt habe?«
»Aber überhaupt nicht! Ich …« Sie spitzte die Lippen und sah über ihre Schreibtischplatte, als liege da irgendwo eine Antwort rum. »…Ich möchte so was nicht vor Kindern besprechen. Das werden Sie ja wohl einsehen. Abgesehen davon, daß Ihr Verdacht natürlich völlig an den Haaren herbeigezogen ist.«
»Haaren herbeigezogen?« fragte Leila, die unserer Art Gespräch aufmerksam folgte.
Ehe ich antworten konnte, fuhr die Frau dazwischen: »So, jetzt ist aber Schluß! Du gehst, oder ich rufe Gregor!«
»Gregor!« äffte Leila sie nach, ließ allerdings gleich darauf den Mund zuschnappen und bekam so einen flirrenden Blick, als sei ihr ihr eigenes Mundwerk nicht geheuer. Es war anzunehmen, daß Gregors Name fürs Frechsein eigentlich nicht in Frage kam.
»Wie du willst!«
Während die Frau zum Telefonhörer griff, eine Nummer wählte und mit abgewandtem Blick darauf wartete, daß sich jemand meldete, versuchte ich mir vorzustellen, was ich machen würde, wenn Gregor Leila samt Stuhl wegschleppte. Und ich überlegte, wie rücksichtslos ich sein wollte. Inzwischen war ich überzeugt, Leila wußte irgend etwas, das ich nicht erfahren sollte, oder ich wußte irgend etwas, das sie nicht erfahren sollte. So oder so durfte ich sie im Beisein der Frau nicht darauf ansprechen. Schon allein, daß ich hier war und mitbekam, wie die Frau fast ohne Wahrung eines Scheins versuchte Leila von mir wegzukriegen, konnte sie in allerhand Schwierigkeiten bringen. Je nachdem, wie hoch die Chancen eingeschätzt wurden, daß ich sie mir als Informationsquelle oder Zeugin ausguckte. Für das Mädchen wäre es am besten, so dachte ich, wenn ich ginge.
Unterdessen gab Leila weiter die Leck-mich-Göre. Sie spielte wieder mit der Zunge zwischen den Zähnen, streckte zwischendurch einen dreckigen Fuß aus, ließ ihn kreisen und betrachtete ihn abschätzend. Trotzdem war zu spüren, wie ihr Gregors immer wahrscheinlicher werdendes Auftauchen angst machte. Ein paarmal sah sie kurz zu mir her. Vielleicht hoffte sie, ich würde bleiben.
»Gregor?… Bitte, kommst du schnell runter … Ja, ein kleines Problem… Leila… Hmhm, bis gleich.«
Nachdem sie den Hörer aufgelegt hatte, verharrte sie einige Sekunden in sich gekehrt, um dann mit fahrigem Lächeln aufzuschauen, als wollte sie sagen: Tut mir leid für die Unterbrechung - wo waren wir stehengeblieben? Tatsächlich sagte sie nichts, beließ es beim Lächeln. Offenbar wollte sie damit über die Zeit kommen, bis Gregor eintraf.
»Frau, äh…«
»Schmidtbauer.«
»Also, Frau Schmidtbauer: Sie haben jetzt alles dafür getan, um mir klarzumachen, daß in Ihrem Laden was faul ist. Entweder Sie reden mit mir darüber, oder ich bleib im Haus und wühl hier so lange herum, bis ich’s gefunden habe. Der Unterschied ist: Wenn Sie mit mir reden, kann ich ‘n Auge zudrücken. Wenn nicht und wenn Sie Dreck am Stecken haben und wenn ich’s rauskriege, laß ich Sie hochgehen.«
Ihr Lächeln wurde noch ein bißchen fahriger, sonst passierte nichts.
»Überlegen Sie sich’s. Es sieht mir nicht danach aus, als wären Sie hier sehr viel mehr als das Vorzimmertantchen. Sie bekommen mit, was so passiert, und damit Sie die Klappe halten, läßt man vermutlich hin und wieder ein paar Mark auf Ihrem Schreibtisch liegen. Für was werden die reichen? Für ‘ne neue Bluse, für ’n schickes Essen im Restaurant … Jedenfalls nicht für ‘ne Reise irgendwohin, wo Sie vor der Polizei sicher sind. Wenn das stimmt, was ich vermute, wird die Anklage auf organisiertes Verbrechen, Erpressung und möglicherweise Beihilfe zum Mord lauten. Und selbst wenn Sie nur wegen Mitwisserschaft verurteilt werden, kommen da immer noch genug Jahre zusammen, um Sie für dieses Leben aus dem Rennen zu nehmen. Ihnen bleibt dann noch ein bißchen Seniorensport und, wenn Sie Glück haben, die
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