Kayankaya 4 - Kismet
Reißverschlüssen und, wenn sie außer Haus ging, eine Mütze mit der Aufschrift >Flotter Käfer<. Nach ihren Worten machte ihr Beruf ihr nichts aus und manchmal sogar Spaß. Trotzdem sparte sie eisern, um in zwei Jahren in ihrem Dorf eine Espresso- und Sandwichbar aufzumachen. Das, was ihr nämlich immer Spaß machte, war essen. Und dafür mochte ich sie wirklich: Sie aß wie eine Kuh - langsam, genüßlich, durch nichts aus der Ruhe zu bringen. Ihr dabei zuzusehen wirkte auf mich wie Yoga.
»Geht schon«, sagte ich, während sie eine Gurke aus einem Glas fischte und trocken wedelte. »Hast du noch zu tun?«
»Quatsch, hier is schon seit Stunden nichts mehr los. Ich eß noch ein bißchen was, und dann hau ich mich hin. Du kannst schon mal hochgehen, wenn du willst.«
»Ich würd mich gern einen Moment in euern Wirlpool legen.«
»Ha!« Sie stocherte mit der Gurke in der Luft. »Das kost aber extra!«, und stieß ihrer Kollegin lachend den Ellbogen in die Seite. Die Kollegin, ein Geschöpf aus Stein und Stroh, grinste verächtlich.
Ich hatte Deborah mal aus einer ziemlich engen Zuhälter-Patsche geholfen, wir waren uns bei Willy DeVilles »Heaven Stood Still« nähergekommen, und seitdem gab es ein unausgesprochenes Arrangement: Einmal die Woche durfte ich mich von ihr verwöhnen lassen, dafür stand ich für eventuelle weitere Patschen bereit. Der Punkt war, daß es die nicht gegeben hatte und in absehbarer Zukunft auch nicht geben würde. Im >Mister Happy< ging es so zivilisiert und familiär zu wie in einer Dorfbäckerei aus einem französischen Film. Ich mußte es wissen, ich kannte die Chefin seit Jahren und hatte Deborah vermittelt. Die Anzeichen, daß sie in unserem Arrangement immer weniger Sinn sah, häuften sich in letzter Zeit, und wenn sie jetzt auch lachte, war ich mir sicher, daß in ihrem Hinterkopf ein kleiner grimmiger Rechenteufel weitere zweihundert Mark als nicht kassiert registrierte.
»Komm, Baby, ist doch nur Spaß. Klar kannst du in den Pool. Mußt ihn allerdings vorher abbrausen. Nach dem letzten Kunden hat niemand saubergemacht, und das war so ‘n ganz haariger.«
»So. Hmhm.«
»Bis gleich«, sie warf mir einen Kuß zu, »dann kümmer ich mich um dich, daß du dich morgen wie neugeboren fühlst.«
Und das gelang ihr tatsächlich. Wenn Deborah satt und guter Laune war, gab es nur wenige, die ihr, was diese Art des Kümmerns betraf, etwas vormachen konnten. Für einen abendlichen Ausgleich, fand ich, hatte ich es nicht so schlecht getroffen, wie Slibulsky glaubte.
12
Vielleicht fühlte ich mich nicht exakt wie neugeboren, aber nach einer Nacht mit ausführlicher Massage und einem Vormittag mit Frühstück im Bett war ich bis auf die verschiedenen Farben im Gesicht doch überraschend prächtig wiederhergestellt. Deborah verabschiedete mich mit einem Kuß, und als ich zu meinem Auto lief und den Strafzettel unterm Scheibenwischer hervorzog, dachte ich fast ein bißchen verliebt daran, wie sie, noch bevor ich einen Blick aufs Tablett werfen konnte, gefragt hatte, ob ich mein Ei nicht wolle.
Ich fuhr nach Hause, duschte, zog was Frisches an und ging um die Ecke in eine Konditorei Kaffee trinken und Zeitung lesen. Eigentlich hatte ich vorgehabt, anschließend zu Ahrens’ Fabrik rauszufahren und zu warten, bis meine Retterin aus der Telefonzentrale Feierabend machte. Sie wußte vermutlich, wann das Cheftreffen stattfand. Doch die Zeitung ersparte mir den Weg. Im Lokalteil fand ich die Überschrift: Frankfurt erwartet den Besuch des Kroatischen Innenministers samt Wirtschaftsdelegation. Neben allerhand Getöne zur traditionellen Freundschaft zwischen Kroaten und Deutschen und einer Begrüßung deutscher Kredite für das »junge aufstrebende Land« wurde im folgenden Artikel ausführlich über die Zusammenarbeit kroatischer und Frankfurter Firmen berichtet. Ahrens’ Tütensuppenbude bekam das Lob, einer der ersten Frankfurter Betriebe gewesen zu sein, die sich nach dem Krieg in Kroatien engagiert hatten.
Ich legte die Zeitung beiseite und dachte an Slibulskys Bonbons. Das war wahrscheinlich genau der Mist, aus dem Ahrens’ Engagement bestand. Also wurde in seiner Fabrik doch gearbeitet. Außerdem schien mir mit dem Artikel die Frage beantwortet, warum sich die Schutzgeldeintreiber verkleiden mußten und kein akzentvolles Wort verlieren durften: Das Bekanntwerden einer von Kroaten gelenkten, deutschen Wirten die Finger abschneidenden Mafia hätte sich auf die Kreditvergabe
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