Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kayankaya 4 - Kismet

Kayankaya 4 - Kismet

Titel: Kayankaya 4 - Kismet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Arjouni
Vom Netzwerk:
Wiedergeburt.«
    Keine Reaktion. Sie lächelte und hielt aus. Doch die Gehetztheit in ihren Augen sagte mir, daß sie, wenn wir alleine wären, weich würde. Also warf ich sämtliche Theorien der letzten zehn Minuten um und hoffte einfach mal, Leila sei doch nur ein Mädchen, das im falschen Moment im falschen Zimmer saß, und Gregor ein netter Zivildienstleistender mit wuscheligen Haaren und bequemen Schuhen, der Leila einwandfrei zum Mitkommen überredete.
    Die Hoffnung hielt gerade mal ein paar Sekunden. Dann sprang die Tür auf, und Popeye auf Koks platzte herein. Muskel-T-Shirt, Trainingshose, Turnschuhe wie kleine bunte Cruise-Missiles, rasierter Schädel, ein Kinn zum Türeneinschlagen und Pupillen, die sich bewegten, als hätten sie bei Tempo dreihundert auf entgegenkommende Herden von weißen Elefanten zu achten. Er maß irgendwas über zwei Meter, und um von einem Schulterende zum anderen zu sehen, mußte ich ein bißchen den Kopf hin- und herdrehen, wie beim Tennis. Dann erkannte ich die protzige Sportuhr wieder. Vielleicht war es Zufall, jedenfalls trug Ahrens dasselbe Modell.
    Ohne mich oder Frau Schmidtbauer zu beachten, schoß er auf Leila zu und schnauzte: »Du beschissenes Biest! Was soll das jetzt schon wieder? Hab ich dir nicht gesagt…«
    Was immer er ihr gesagt hatte, es ging in Leilas gellendem Aufschrei unter, als er seine Pranken um ihre Arme schloß und sie vom Stuhl riß. Leilas Beine strampelten in der Luft, und sie versuchte ihn zu treten. Dabei hörte sie nicht auf zu schreien, und das kleine Sekretariatszimmer verwandelte sich akustisch in eine Folterkammer. Popeye brüllte: »Halt die Fresse!« Frau Schmidtbauer rief: »Faß sie nicht so hart an!« Und ich zog meine Pistole.
    »He, Sie da!« versuchte ich die anderen zu übertönen. »Gregor!«
    Das Mädchen unter den Arm geklemmt, drehte er sich um, brauchte einen Moment, um zu kapieren, was da in meiner Hand glänzte, und schaute ungläubig. Leila strampelte und schrie noch ein bißchen, bis auch sie zu mir hersah und augenblicklich verstummte.
    »Lassen Sie mal das Kind wieder runter«, sagte ich und wedelte mit der Pistole.
    Gregor schaute noch ein bißchen ungläubiger, wobei seine Pupillen immer größer und leerer wurden und ich das Gefühl bekam, einer Horrorpuppe gegenüberzustehen. So ein Ding, das in Kinoeingängen Reklame machen könnte für Filme wie: Der Massaker-Mann, oder: The Devil’s Dinner.
    Er wandte den Kopf zum Schreibtisch. »Wer ist das Arschloch?«
    Frau Schmidtbauer biß sich auf die Unterlippe, sah auf meine Pistole und schien Gregors Wortwahl für nicht sehr vernünftig zu halten. »Ahm«, machte sie und hob die Schultern.
    Ich sagte: »Das Arschloch ist der Typ, der Ihnen Löcher in die Knie macht, wenn Sie jetzt nicht endlich das Kind loslassen.«
    Es war, als explodierte irgendwas in ihm. Sein Kopf sauste herum, und mit gebleckten Zähnen und hervortretenden Augen riß er Leila vor seine Brust und reckte sich mir entgegen. »So ist das also?! Löcher willst du mir machen?!« brüllte er und hackte mit dem Kinn in die Luft. »Na, los doch! Aber dann mußt du erst die Kleine durchballern! Hättest du nicht gedacht, was?! Mir Löcher machen! Mit einer Hand schlag ich dich tot!«
    »Von mir aus mit dem kleinen Zeh. Aber es geht hier nicht um Schlagen, und ich will Ihnen auch nicht in die Brust schießen. Ich knall Ihnen die Kniescheiben weg. Um davor geschützt zu sein, müßten Sie ‘ne Wand im Arm haben.«
    »Bitte, Gregor…!« flehte Frau Schmidtbauer und fing im selben Moment an zu heulen.
    Gregor schnaufte jetzt wie ein Pferd, begann zu zucken und. zu schwitzen und guckte um sich, als habe Freund Koks ihn in vollem Flug von der Hand gelassen und als segle er nun alleine durch irgendeinen Kosmos, der ihm ein einziges Rätsel war.
    »Das Kind«, versuchte ich es noch mal, doch er hörte mich nicht mehr. Er sah zu Boden, verharrte einen Moment wie in Selbsthypnose, Schnaufen und Zucken ließen nach, und wo eben noch Schweiß geglänzt hatte, wirkte es, als lege sich grauer Staub auf die Haut. Nichts deutete mehr auf die Existenz von Gehirn hin. Er fuhr sich zum puren Nahkampfreflex runter. Dann ging er in die Knie, bog die Schultern wie ein Kugelstoßer zurück und spannte die Bizepse an. Zwischen der Pistole und meiner Hand bildete sich ein glitschiger Film.
    Als Leila auf mich zugeflogen kam, stieß ich sie nach links unter den Schreibtisch, warf mich nach rechts, sah den Zweimeterkokser über mir und

Weitere Kostenlose Bücher