Kayankaya 4 - Kismet
vor, wir treffen uns ohne Waffen hier vorne am Eingang.«
Pause, einer räusperte sich, dann wieder mein Verhandlungspartner: »Warum kommste nich einfach hinter der Karre vor? Ab jetzt looft doch allet friedlich.«
»Sagen wir, als Beweis eures guten Willens. Hier sind wir auf gleicher Höhe, und ich kann sehen, ob ihr eure Pistolen wirklich weggesteckt habt.« Ich hielt kurz inne, um dann in zunehmend defensivem, um Haltung bemühtem Ton fortzufahren: »Ich meine, Jungs, glaubt mir, ich hab die Nase von dieser ganzen Gewalt doch gestrichen voll! Normalerweise suche ich Hunde und Ehemänner und so was. Ehrlich, ich möchte aus der Geschichte nur noch raus. Und dafür wär’s, denke ich, am besten, wir würden uns hier in die Augen sehen und uns dann wie Erwachsene mit Ahrens an einen Tisch setzen und alles weitere besprechen. Ich hätte da auch noch die eine oder andere Information, die Ahrens bestimmt interessieren dürfte. Über den Albaner und was die Polizei vorhat. Wir Türken haben da ein Sprichwort: Hast du eines Fremden Teppich beschmutzt, mußt du deiner Schafe Wolle für ihn scheren. Versteht ihr?«
»Äh, ja. Hört sich jut an. Wat is mit deiner Knarre?«
»Aber ich sage doch, ich will verhandeln.«
»Klar, Teppich scheren, aber…«
»Wenn ihr mit meinem Vorschlag einverstanden seid, werfe ich meine Pistole vor die Eingangstür - quasi als ersten Verhandlungsschritt. Dann könnte ich euch nur noch wegrennen. Ist das ein Angebot?«
»Dit is ‘n Anjebot! Dann werf ma!«
Seine Stimme war so unverschämt belustigt, es war nicht schwer, sich vorzustellen, wie sie sich da oben kringelig grinsten. Hauptsache, sie sprangen nicht aus dem Fenster…
»Okay!« Ich hob meine Hand mit der Pistole übers Autodach, und immerhin wurde sie nicht sofort abgeschossen. »… Ich vertraue euch!«
»Aba imma, Kacke! Vatrauen is dit A und O im Leben!«
Ich richtete mich auf, die leere Pistole im Anschlag, und wir sahen uns über das Auto und ein paar Meter Matschplatz hinweg in die Augen. Beide machten so verbissene Gesichter wie Leute, die bei einer Beerdigung kurz vorm Lachkrampf standen.
Ich deutete mit der Pistole zur Schwingtür und lächelte verhalten. »Also, bis gleich. Und alles friedlich, hm?«
Sie nickten, und ihre Augen sprühten bis zu mir herüber vor lauter Vorfreude auf ein tolles Gemetzel. Wenn sie nur zur Tür kämen…
Ich holte ein bißchen aus und warf die Pistole auf den Streifen Matsch zwischen Mercedes und Eingang. Dann sah ich wieder zum Fenster, und in meinen Ohren toste das Blut. Sie waren stehengeblieben und sahen zurück. Für einen kurzen Moment glaubte ich, jetzt sei es vorbei. Sie waren jung, schnell und kräftig und hatten vermutlich genug Munition, um mich zehnmal in so was wie mein Sakko zu verwandeln. Ich kam mir alt und dick vor und hatte nichts.
Zwei, drei Sekunden standen wir so da, und wenn sie einfach auf den Fenstersims gestiegen und rausgesprungen wären, hätte ich wahrscheinlich nicht mal mehr den Versuch gemacht wegzurennen. Es wäre nur lächerlich gewesen. Doch plötzlich, wie nach Jahren, machte einer der beiden einen kurzen Wink in meine Richtung, grinste noch mal, als könne er soviel Doofheit nicht fassen, und im nächsten Augenblick waren beide aus dem Fensterrahmen verschwunden.
Zehn Meter, drei bis vier Sekunden. Wenn sie rannten, weniger. Ich warf mich hinters Steuer, drehte den Zündschlüssel und schob den Automatikschalthebel auf Drive. Mit dem Motor ging auch die Stereoanlage los, und aus sechs oder acht Lautsprechern ertönte Janet Jackson. Als ich durch die Scheiben der Schwingtür die Glatzköpfe in den Flur treten sah, drückte ich das Gaspedal durch. Der Wagen machte einen Satz, und die Jungs rissen die Münder auf. Natürlich hatten sie ihre Pistolen nicht eingesteckt, aber ehe sie sie auf die richtige Höhe kriegten, brach der Mercedes schon durch die Tür. Sie konnten nur noch nach hinten wegrennen. Bis hierhin lief alles wie geschmiert. Das einzige für einen winzigen Augenblick wie ein Problem Erscheinende waren die Flurwände. Etwa drei Meter hinter der Schwingtür verengten sie sich, und eigentlich paßte der Wagen nicht mehr durch. Aber die Wände waren aus Gips, der Mercedes war ein Mercedes, und mir blieb sowieso keine Wahl. Während ich den Wagen durch den Flur raspelte und die Jungs vor mir hertrieb, stürzten hinter mir links und rechts Gipsplatten und Styroporverkleidung zusammen. Dazu sang Janet Jackson »Whoops now«, und von mir
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