Kayankaya 4 - Kismet
zwei Lederkoffer.
»Was los?« fragte sie halb ängstlich, halb vorwurfsvoll, während ihr Blick über meine verdreckte Gestalt wanderte.
»Der Abschied fiel uns schwer.« Ich packte ihre Koffer und nickte Richtung Vorplatz. »Laß uns verschwinden. Und heb die Pistole da auf.« Dann patschten wir durch Matsch und Pfützen zu meinem Opel, und sie beließ es dabei, sich noch zwei-, dreimal zum Eingang umzugucken. Vielleicht war sie, abgesehen von einem Koffer, in dem sie möglicherweise Bleirohre transportierte, doch keine so schlechte Klientin.
13
Wir saßen im Auto, auf dem Weg ins Ostend zu meinem Büro. Da weder meine Privatadresse noch meine private Telefonnummer in einem öffentlich zugänglichen Buch oder Computer stand, nahm ich an, wenn Ahrens mir Warnungen, Drohungen oder Angebote hatte übermitteln wollen, würde ich sie im Büro finden. Daß er mich einfach so weitermachen ließ, hielt ich nach unserer Begegnung und meinem ihm sicher zugetragenen Auftritt im >Adria-Grill< für ausgeschlossen. Spätestens jetzt, nach ausführlichen Telefonaten mit Frau Schmidtbauer, mußte er irgendwie reagieren. Ich vermutete, er würde versuchen mich mit Geld zu locken, um mich dann um die Ecke zu bringen.
»… Mein Vater ist Kroat, meine Mutter Srbkinja. Ich bin geboren in Bosna. Mein Vater ist Arbeiter in Maschinenfirma, kein Soldat. Und als der Krieg losgeht, er war dagegen. Und hat großes Maul: lieber tot als weg von meine Srbija-Mutter. Hat immer großes Maul. Also er kommt ins Gefängnis in Kroatia oder Bosna oder was. Und dann sind meine Mutter und ich nach Deutschland. In Deutschland Bosna besser als Srbija, sogar besser als Kroatia. Meine Mutter sagt: immer sagen Bosanka, nie Srbkinja. Die Bosanka ist wie arme alte Dackelhund von Heimleiter. Alle sagen: Oooh, der arme alte Dackelhund. Srbkinja ist wie Frau von Heimleiter.«
»Hm. Seit wann arbeitet deine Mutter für Ahrens?«
»Seit drei Wochen.«
»Und was macht sie da?«
»Geld.«
»Schön, aber was macht sie dafür?«
»Weiß nicht genau. Meine Mutter darf nichts sagen wegen mein Vater. Dicke Ahrens hat die Finger bis nach Kroatia.«
»Und seit wann ist deine Mutter verschwunden?«
»Letzte Sonntag. Darum sitz ich bei Schmidtbauer. Sie weiß, wo meine Mutter ist. Sie und Gregor. Aber sagt nix. Nur immer: Kommt schon, kommt schon.«
»Sind die blauen Flecken auf deinen Armen von Gregor?«
»Ja. Wegen Schreierei und so. Seit meine Mutter ist weg, schlaf ich schlecht.«
»Hm.«
Ich fragte mich, was Ahrens für den Zeitpunkt plante, wenn seine Handstreich-Übernahme des Frankfurter Schutzgeldgeschäfts beendet sein würde. Wenn diese ganze wacklige, nur mit ungeheurem Druck und jeder Menge Gewalt aufrechtzuerhaltende Konstruktion auseinanderkrachte. Wahrscheinlich hatte er das datierte Ticket nach Weiß-Gott-wo-Beach schon in der Tasche. Käme er dort tatsächlich an, ließe er einen Teil der Stadt auf Jahre demoliert zurück - dagegen würde einem der Weggang der Gebrüder Schmitz im nachhinein wie eine durchschnittliche Firmenkrise vorkommen. Als Folge der Armee geriete jede normale Schutzgelderpressung zum Skandal, und jeder ernsthafte Schutzgelderpresser müßte mit einem Panzer vorfahren, damit seine Erpressung unterm Deckel bliebe. Und sie würden mit Panzern vorfahren. Das Geschäft würde noch heimlicher, noch brutaler, noch maßloser werden. Die Wirte würden sich an Zeiten erinnern, in denen sie ihr Schutzgeld relativ gelassen mit den Schwarzeinnahmen verrechnen konnten. Und die Gäste würden sich nach besoffenen Nächten sehnen, in denen sie noch keinen Blödmann fürchten mußten, der jederzeit ins Lokal marschiert kommen konnte und einen von ihnen nur deshalb abknallte, weil er zeigen wollte, daß er’s so ernst meinte wie die inzwischen legendäre Armee der Vernunft.
Ich steckte mir eine Zigarette an, und Leila fragte, ob sie auch eine haben könne.
»Wie alt bist du?«
»Nächsten Monat fünfzehn.«
»Rauchen ist ungesund.«
Ich meinte den Luftzug zu spüren, den ihr herumfahrender Kopf machte. »Meine Mutter oder was?!«
»Du wolltest mit mir mit, und bei mir im Auto bestimme ich, wer raucht und wer nicht. Vierzehnjährige Mädchen nicht.«
»Ah! Aber vierzehnjährige Mädchen sollen Rauch von alte Detektiv atmen!«
»Hör mal, Herzchen: Wenn du noch einmal dick oder alt zu mir sagst, kannst du den Weg zurück zu Gregor zu Fuß gehen.«
Es war kein Lachen, nicht mal ein Kichern, aber es war ein Ton, der was mit
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