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Kayankaya 4 - Kismet

Kayankaya 4 - Kismet

Titel: Kayankaya 4 - Kismet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Arjouni
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Amüsement zu tun hatte - verächtlich, kopfschüttelnd, fast mitleidig. Nach einer Pause sagte sie: »Wie Schmidtbauer. Mag ihr Alter auch nicht - zwei alte Fotze.«
    Sie war schon ein Knaller. Beim Spiel »Wer hat das letzte Wort?« hätte ich mein ganzes Geld auf sie gesetzt. Beim Spiel »Wer kann souverän mit Vierzehnjährigen?« wäre ich als Kandidat wahrscheinlich nicht mal in die Vorauswahl gekommen.
    Schließlich reichte ich ihr Zigaretten und Feuerzeug rüber, und nachdem wir eine Weile still vor uns hin gequalmt hatten, fragte ich: »Wieviel rauchst du am Tag?«
    »Mal so, mal so. Kommt drauf an, wie der Tag ist. Manchmal ist Zigarette wie der letzte Spaß.«
    »Hm, geht mir auch so. Hat deine Mutter nichts dagegen?«
    »Mal so, mal so.«
    »Okay, treffen wir eine Vereinbarung…«
    »Treffen eine Vereinbarung?«
    »Machen ein Geschäft.«
    »Gut.«
    »Wenn ich nicht dabei bin, machst du, was du willst. Aber in meiner Gegenwart rauchst du nicht mehr Zigaretten als ich.«
    »Gegenwart…?«
    »Wenn wir zusammen sind.«
    »Du rauchst viele?«
    »Ganz viele.«
    »Gut. Geschäft.«
    Am nächsten Kiosk hielt ich und kaufte eine Packung Kaugummi.
    »Beschiß, was?« fragte Leila, als ich zurück ins Auto stieg. »Jetzt du rauchst nicht wenn Gegenwart.«
    »Geschäft ist Geschäft.«
    »Und Beschiß ist Beschiß.«
    »Hm.« Ich nickte. »Und doof ist doof.«
    »Okay. Bitte, Kaugummi.«
    Alles war mir zuwider: der Geschmack, das Geschmatze und Geknatsche und das Bild von mir und Leila, wie wir wegen einer zweifelhaften Abmachung das Zeug quasi um die Wette kauten. Ich hatte es gerade eben so geschafft, drei Killer abzuschütteln, war von Kopf bis Fuß eingematscht und eingestaubt, Frankfurts zur Zeit aufregendste Verbrecherorganisation saß mir im Nacken, und ich veranstaltete so einen Blödsinn. Doch anstatt den ungewohnten Pfefferminzklumpen einfach auszuspucken und mir eine Zigarette anzuzünden, dachte ich über durchzusetzende Erweiterungen unserer Geschäftsvereinbarungen nach. Wieviel Kugeln Eis wogen eine Zigarette auf, zum Beispiel.
    Viel Zeit für solche Überlegungen blieb nicht. Während ich mir noch ausmalte, wie Leila erneut irgendwelche mitleidigen Geräusche von sich geben und erklären würde, daß sie, falls sie überhaupt ein Eis wolle, sich das auch hundertfach selber kaufen könne, fuhren wir am ersten Feuerwehrwagen vorbei. Im nächsten Moment sah ich die Hälfte meines Büroschreibtischs hinter einer Absperrung auf der Straße liegen.
    Ein Feuerwehrmann winkte mich zur Seite, ich hielt den Wagen an und beugte mich übers Lenkrad. Im dritten Stock des Fünfziger-Jahre-Kastens, in dem sich seit sechs Jahren mein Büro befunden hatte, klaffte ein etwa fünf Quadratmeter großes Loch. An der hinteren, heil gebliebenen Wand erkannte ich die runde Küchenuhr, über die einer meiner Klienten mal bemerkt hatte, sie mache sich in einem Detektivbüro so flott wie Strickzeug.
    »Was ist das?« Leila hatte sich ebenfalls vorgebeugt und drückte die Nase gegen die Windschutzscheibe.
    »Keine Ahnung.« Ihre Aufnahmekapazitäten für mutwillige Gewaltspektakel schienen mir für heute erschöpft. Im Moment wirkte sie zwar einigermaßen tapfer, aber in dem Alter, nahm ich an, konnte sich so was schnell ändern. Und eine hysterische Vierzehnjährige war das letzte, was ich gebrauchen konnte. »Vermutlich eine Gasexplosion. Eigentlich wollte ich nächsten Monat mit meinem Büro hierherziehen.« Ich steckte mir eine Zigarette an und warf ihr die Packung in den Schoß. »Ich guck mir das mal kurz an. Bleib hier sitzen, okay?«
    »Okay«, erwiderte sie, aber es klang wenig überzeugt. So einfach wie beim Zigarettenabkommen würde sie sich wohl nicht noch mal übern Tisch ziehen lassen.
    Ich stieg aus und drehte eine Runde. Viel zu gucken gab’s nicht. Feuerwehrmänner, ein paar Schaulustige und ein Haufen aufgeregt durcheinander berichtender Hausbewohner. In meiner Kruste aus Schlamm und Gipsstaub erkannte mich niemand.
    Natürlich war der Verlust meines Büros samt Telefon-Fax-Gerät, einem Computer, einer erstklassigen Kaffeemaschine und einer Kiste Schnaps nicht die reine Freude, aber er kratzte mich auch nicht besonders. Ich hatte den schlechtbeheizten, rauhfasertapetenbeklebten, von der nebenan eingezogenen Fernsehfilmproduktion mit Sting, George Michael und den fünfhundertsten Aufgüssen irgendwelcher Kuschelsoulstücke akustisch permanent vollgemüllten, zwanzig Quadratmeter großen Raum nie gemocht.

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