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Kayankaya 4 - Kismet

Kayankaya 4 - Kismet

Titel: Kayankaya 4 - Kismet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Arjouni
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Vielleicht kam ich auf diese Weise sogar um die unbezahlten Mieten herum. Was mich kratzte, war, daß sich mein Leben in den letzten Tagen durch die Armee der Vernunft tatsächlich in etwas verwandelte, das zunehmend einer militärischen Auseinandersetzung glich. Ich kannte Drohbriefe, selbstgebastelte Bomben, Prügelkommandos, vollgebrüllte Anrufbeantworter, und einmal hatte ich, sehr phantasievoll, einen aufgeschlitzten Hammel mit Türkenhütchen zugeschickt bekommen. Aber daß man am hellichten Tag mitten in Frankfurt mein Büro in die Luft jagte, nur um mich von einem Fall abzubringen, erlebte ich zum ersten Mal. Sicher, es bestand immer noch die Möglichkeit, daß es in dem Haus wirklich Gasanschlüsse gab, von denen ich nichts wußte. Oder daß die Damen von der Fernsehfilmproduktion Bigger Than Live zum Start einer neuen Zahnarzttöchter-haben-Probleme-mit-Architektensöhnen-Serie ein ihrem Firmennamen entsprechendes Feuerwerk geplant und die zwanzig Kisten voll Raketen nur mal einen Moment vor meiner Tür abgestellt hatten. Aber darauf gewettet hätte ich nicht.
    Ich warf einen letzten Blick auf meine Küchenuhr, dann ging ich zurück zum Auto. Kurz davor sprach ich einen Mann an, der, an einem Absperrgitter lehnend, die Hauswand hinaufschaute und aussah, als lehne er dort schon eine ganze Weile.
    »‘tschuldigung, können Sie mir sagen, was da oben passiert ist?«
    »Tja! Das fragt man sich!« platzte es überraschend wütend, aber auch irgendwie zufrieden aus ihm heraus, ohne daß er den Blick vom Haus nahm. Er hatte schlechte Zähne, schlechte Haut, kaum Haare, eine Wampe, eine Fahne, fleckige Nylonklamotten, die ihm nicht paßten, und einen goldenen Ring im Ohr. »Weiß der Teufel, was das Dreckschwein da oben angestellt hat!«
    »Ahm… welches Dreckschwein?«
    »So ‘n Negerdetektiv!«
    »Negerdetektiv?«
    »Na, ich nenn’s Neger. Türke isser - oder warer. Vielleicht hat’s ihn ja mitgefetzt. Stellen Sie sich mal vor«, er warf mir einen kurzen Seitenblick zu, »so einer. Fehlt bloß noch ‘ne Negerpolizei - dann aber gute Nacht Ostend!«
    Hin und wieder ein bißchen Gipsstaub auflegen, und man erfuhr, was die Nachbarn so über einen dachten.
    »Wann hat’s das Schwein denn etwa gefetzt?«
    »Vor ‘ner halben Stunde oder so. Ich war grad drüben bei Heidi. Aber wennse mich fragen, gefetzt issen Wunschkonzert. Ich mein, man sieht ja nix, Blut oder Stücke.«
    >Heidis Wurstparadies< war der kulinarische Top-Act der Straße. Genaugenommen, sah man von einem Hamburger-Imbiß und einer Bäckerei mit belegten Brötchen ab, war es der einzige Act. Zwei- oder dreimal hatte mich der Hunger an Heidis fettverschmierte Plastiktische getrieben und genötigt, Sachen zu schlucken, die kein Hund angucken würde.
    Ich tat, als müsse ich mich umsehen, um den Ort namens Heidi zu lokalisieren. »>Heidis Wurstparadies<«, las ich vom Eingangsschild ab, »von dort hat man doch ‘n guten Blick auf das Haus. Haben Sie vielleicht vor der Explosion wen reingehen sehn? Einen, der die Bombe gezündet haben könnte. Einen, der hier nicht hergehört. Muß nicht unbedingt ’n Neger gewesen sein.«
    Er ließ die Frage einen Augenblick nachklingen, ehe er geschäftig die Nase rümpfte und sehr sachlich ein paarmal vor sich hin nickte: Hier kapierte mal einer, auf wen es im Ostend wirklich ankam. Denn in die Luft fliegende Negerbüros - gut und schön, aber viel wichtiger war zweifellos, daß kein Fremder an Heidis Ausguck vorbeigehen konnte, ohne daß er ihn bemerkte und als solchen identifizierte.
    ».. .Tja, jetzt wo Sie fragen, da gab’s tatsächlich einen, bei dem ich überlegt hab, was hat ‘n der hier verloren. Ich kenn nämlich alle hier im Eck, wenigstens vom Sehen. Haben Sie gut bemerkt - Menschenkenntnis, was?« Zum ersten Mal schaute er mir direkt ins Gesicht, und während seine sonstige Miene noch jede Menge frisch erblühte Sympathie signalisierte, machte sich in seinen Augen ein Ausdruck von Irritation breit.
    »…Was is ‘n mit Ihnen passiert? Sie sehen ja fast aus wie…«
    »Borchart mein Name, Sprengstoffexperte.« Ich streckte ihm die Hand entgegen, und er schüttelte sie reflexartig. »Komm grad von ‘nem anderen Anschlag, und wie Sie sehen, gab’s dort ‘ne Menge Staub. Also, wie war das mit dem Kerl, der Ihnen vor der Explosion aufgefallen ist?«
    Doch so einfach ließ er sich nicht abspeisen. Mißtrauisch beäugte er mich von oben bis unten, ließ den Blick auf meiner Hand mit dem

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