Kayankaya 4 - Kismet
mit den armen russischen Mädchen für Schweinereien getrieben hätten. Ich meine, stellen Sie sich mal vor, womöglich zur Abendbrotzeit…«
Wieder dieses Leichengeräusch.
»…Nein, nein. Sie rufen mich an, dann bin ich sofort unten, und ich weiß, wie man mit diesen Leuten umgehen muß. Keine Angst.«
Er stotterte noch ein bißchen rum, wie unerklärlich alles für ihn sei, ich gab ihm die Anweisung, eine große Kanne starken Kaffee für die bevorstehende Nacht zu kochen, dann legten wir auf, und was Leila und mich betraf, schien ein sorgenfreier Schlaf gesichert.
Wenig später klingelte es an der Haustür. Nachdem ich mich durchs Fenster davon überzeugt hatte, keinen dicklippigen Hessen oder bleichgepuderten Killer einzulassen, drückte ich den Offner. Kurz darauf nahm ich eine wäschesackgroße Tüte voll Styroporschüsseln und Aluminiumschachteln entgegen. Ich deckte den Sofatisch, stellte für Leila eine Flasche Mineralwasser hin, schenkte mir Wodka nach und versuchte mir für die nächsten Tage einen Plan zurechtzulegen.
Samstag kam die kroatische Wirtschaffsdelegation, und wenn Zvonko mir keinen Mist erzählt hatte, befand sich darunter höchstwahrscheinlich der kroatische Kopf der Armee der Vernunft. Bis dahin mußte ich herauskriegen, wo das von Zvonkos Onkel vorbereitete Filetessen stattfand. Ein gemütlicher Abend mit allen leitenden Armeeangehörigen - ein besserer Moment, um mit dem Albaner und seinen Kettchenträgern die letzte Kampfhandlung aufzunehmen, würde sich kaum ergeben. Die Frage war, was ich bis Samstag für meine neue Klientin unternahm. Um das Cheftreffen nicht zu gefährden, mußte ich die nächsten Tage untertauchen. Ahrens sollte glauben, der Anschlag auf mein Büro habe mich das Feld räumen lassen. Was nebenbei auch die Gefahr verringerte, von ihm zu einem Austausch Detektiv gegen Klientenmutter erpreßt zu werden. Für Leila konnte ich vorerst also nur eins tun: unauffällig feststellen, ob sich ihre Mutter wirklich bei Ahrens aufhielt. Entweder freiwillig, weil sie nach Frau Schmidtbauers Worten >die Schlimmste von allen< und eine >Nutten-Mutter< war, die eine Gelegenheit ergriffen hatte, sich einen Teil von Ahrens’ Einnahmen unter den Nagel zu reißen - oder gezwungenermaßen. Vermutlich sah sie ihrer Tochter nicht ganz unähnlich, und vielleicht hielt Ahrens sie sich in irgendeinem Keller als Safaripartnerin.
Ich nahm einen Schluck und steckte mir eine Zigarette an. Die Vorstellung, Leilas Mutter sei seit Sonntag Ahrens’ Sexsklavin, gefiel mir aus irgendeinem Grund noch enorm viel weniger als das schon enorm Wenige, das einem normalerweise an solchen Vorstellungen gefällt. Natürlich konnte sie auch nur beim Schwarzfahren erwischt worden sein. Ein eifriger Polizist, und als Flüchtling landete sie im Gefängnis. Doch wenn sie tatsächlich von Ahrens eingesperrt wurde? Sollte ich das bis Samstag laufenlassen? Wegen zwei Kerlen, die jetzt von Würmern zerfressen wurden…
Die Badezimmertür ging auf, und heraus kam - was war denn nur los?! - eine Bauchtänzerin… Sie trug eine weiße kurze, mit glitzernden Blumen bedruckte Bluse, goldene tief sitzende Seidenpluderhosen, eine Art Gürtel, an dem goldene Münzen hingen, und bunt bestickte, pantoffelartige Schuhe. Der Münzengürtel lag locker um die nackten Hüften und hing vorne wie ein V herunter. Wenn Leila sich bewegte, klimperte es, und die Spitze des Vs tippte wie ein leichter Fingerzeig zwischen ihre Beine.
.. .Was sollte das werden? Heimatkunde? Karneval? Verführung? Ein bißchen wie auf rohen Eiern trat sie ins Zimmer und guckte erwartungsvoll.
»Donnerwetter.« Ich lächelte freundlich. »Noch was vor heute abend?«
»Vor?«
»Ob du ausgehen willst, tanzen oder auf den Rummel oder so was.«
Sie hielt inne und betrachtete mich erstaunt. So wie man einen Schwachkopf erstaunt betrachtet. Dann sah sie plötzlich wie durch mich hindurch, ließ die Schultern sinken, kam mit schleppenden Schritten zum Sofa, seufzte »Abendbrot?« und plumpste klimpernd in die Kissen.
»Ja, Abendbrot.« Hatte sie mit Applaus gerechnet? Wollte sie was vorspielen? Oder glaubte sie wegen möglicher Erfahrungen mit evangelischen Heimbetreuern, daß man in Mercedesfahrerland nur in irgendwelche Volkstanzklamottem zu steigen brauchte, damit die Einheimischen vor lauter Kulturaustausch ganz aus dem Häuschen gerieten? So ähnlich, stellte ich mir vor, mußte es sein, wenn die eigenen Kinder mit selbstgebastelten Nußknackern oder
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