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Kayankaya 4 - Kismet

Kayankaya 4 - Kismet

Titel: Kayankaya 4 - Kismet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Arjouni
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auf die letzte Sprosse steigen. Langsam und vorsichtig zog ich mich am Fenstersims hoch. Was ich im nächsten Moment zu sehen bekam, hätte mich beinahe einen Schritt ins Leere treten lassen: In dem halbdunklen, nur vom Flur her beleuchteten Raum lief im Fernseher in der Ecke die Filmstar- und Prominentensendung einer berühmten deutschen ehemaligen Nachrichtenmoderatorin, davor auf einem Stuhl der fette Hesse beim Wichsen. Schon jedes Element der Szene für sich genommen war alles andere als einnehmend. Zusammen schufen sie den perfekten Feierabendalptraum. Immerhin glaubte ich zum ersten Mal zu verstehen, was der Schlüssel zum Erfolg der Moderatorin war. Offenbar wirkte ihr knochiges, kleinäugiges, immer ein Hinterrücks-und-für-Geld-mach-ich-doch-sofort-alles-Lächeln auf den Lippen tragendes, rosa überkleistertes Gesicht gerade so erreichbar, daß einer wie der Hesse Phantasien entwickeln konnte. Und tatsächlich hielt er im nächsten Moment, als eine junge Frau - Sandrine Bon-irgendwas stand kurz auf einem Textbalken - auf der Bildfläche erschien, in seiner Tätigkeit inne. Die war einfach zu attraktiv, als daß er sie zusammen mit seiner Wampe in eine funktionierende Vorlage kriegte.
    Bedachte man den Zustand, in dem er gefunden werden würde, ergab sich eine verlockende Gelegenheit, für mein eingeschlagenes Gesicht augenblicklich Rache zu nehmen. Vielleicht stellten sie die genaue Uhrzeit des Todes fest und verglichen sie mit dem Fernsehprogramm. Was gäbe das für Schlagzeilen…!
    Natürlich gäbe es überhaupt nichts. Ahrens würde den Fettsack irgendwo verscharren lassen und im schlechtesten Fall das Armeetreffen am Samstag abblasen oder sonstwohin verlegen. Ich stieg die Leiter runter und guckte mir Fenster für Fenster den Rest des ersten Stocks an. Nach weiteren Büros stieß ich auf einen Konferenzsaal. Soweit ich im Strahl der Taschenlampe erkennen konnte, stapelten sich an der Wand Champagner- und Cognac-Kisten. Gleich daneben befand sich eine Küche, mittendrin ein großer Elektrogrill, der so quer im Weg stand, als sei er eben erst geliefert worden.
    Bis auf den Hessen schien sich niemand im Gebäude aufzuhalten.
    Ich brachte die Leiter zurück zum Reifenhändler, kletterte über den Zaun auf die Straße, setzte mich auf einen Mauervorsprung und steckte mir eine Zigarette an. Es war kurz nach halb elf. Entweder ich fuhr jetzt zu Ahrens’ Privatadresse, oder ich hoffte, daß hier heute abend noch irgendwas passierte. Zu dem Artikel über den Besuch der kroatischen Wirtschaftsdelegation mit besonderer Erwähnung von Ahrens’ Firma war ein Foto abgedruckt gewesen: Doktor Ahrens mit Gemahlin im Kreis lächelnder Anzugträger. Eine kräftige, angriffslustig das Kinn vorreckende, einen riesigen Haufen blondierter Haare tragende, freundlich dreinschauende Frau Ende Dreißig. Aber so freundlich, als würde sie Ahrens zu Hause mit anderen Weibern rummachen lassen, nun auch wieder nicht.
    Während mir gerade sehr bewußt wurde, daß alles, was ich mir für diesen Abend vorgenommen und ausgemalt hatte, auf der möglicherweise völlig irrigen Annahme basierte, Leilas Mutter hielte sich in Ahrens’ unmittelbarer Nähe auf, fiel vom Ende der Straße Scheinwerferlicht auf meine Schuhe. Ich sprang auf und drückte mich in den Mauerschatten. Im nächsten Moment schnurrte ein bmw so leise vorbei, als sei das Ganze ein Traum. Nachdem er in die Einfahrt von Ahrens’ Firma eingebogen war, rannte ich auf Zehenspitzen hinterher und lugte um die Ecke. Die Türen gingen auf, und heraus schlüpften zwei Kerle, die aus der Entfernung identisch mit denen schienen, die Slibulsky und ich vor knapp einer Woche begraben hatten. Blonde Haare im Fassonschnitt, cremefarbene Anzüge, kein Wort. Sie gingen zur Eingangstür, drückten auf die Klingel und warteten. Nach einer Weile erschien der Hesse und ließ sie hinein. Es dauerte etwa zehn Minuten, bis sie wieder herauskamen. Jedenfalls nahm ich an, sie waren es, denn inzwischen hatten sie dunkle Haare und trugen Jeans und Lederjacken. Aus einem Unterstand zogen sie zwei Fahrräder, und im nächsten Moment radelten sie an mir vorbei Richtung Innenstadt. Der Hesse fuhr den bmw hinter das Backsteingebäude, kam zurück, warf einen Blick in die Runde, schob sich den Sack zurecht und ging zurück ins Haus. Eine halbe Zigarette später schnurrte der nächste bmw herein. Erneutes Klingeln, Verkleidung-im-Haus-Lassen, Mit-Fahrrädern-Davonfahren. Dann der dritte bmw, der vierte,

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