Kayankaya 4 - Kismet
zu den restlichen Tierheimen, Susi suchen?«
»Hm.«
»War das ein Ja?«
»Weiß nicht.«
»Dann weiß ich es. Also… bis morgen. Schlaf gut.«
»… Schlaf gut auch.«
Ich hängte ein, starrte noch einen Moment aufs Telefon, nahm mein Glas und ging die Treppe hinauf in den Wirtshaussaal. Wohin ich heute abend noch mußte, das war ein freier Platz in einer ruhigen Ecke. Um diese Uhrzeit begann sich der Saal zu leeren. An den langen groben Holztischen um mich herum blieben Kartenspieler, ein Liebespaar und eine kleine Geburtstagsrunde übrig. Niemand, den ich kannte.
Ich saß an die Wand gelehnt, trank Apfelwein und rauchte. Mit jedem weiteren Glas wurde die von mir vermutete Wahrheit der Geschichte, die ich Leila erzählt hatte, immer ähnlicher. Bald schien es mir für das Verhalten der Mutter keine andere Erklärung mehr zu geben. Ich konnte nicht glauben, daß die Frau, die ich gestern im Video gesehen hatte, einfach ihre Tochter alleine ließ, nur um mit Ahrens rumzuvögeln und ein paar Mark abzustauben…
Ich nahm einen tiefen Schluck und winkte dem Kellner um Nachschub zu.
… Falls sie überhaupt vögelten. Sie waren in Ahrens’ Bürohaus gegangen - wenn sie mit ihm verhandeln mußte, warum nicht? Und daß Ahrens sie von hinten betatscht hatte, konnte einen bei dem Kerl ja wohl kaum überraschen. Sowenig wie Schmidtbauers Nachrichtensperre. Vorhin am Telefon hatte ich das einfach so dahinerfunden, inzwischen war ich überzeugt, ins Schwarze getroffen zu haben… Ich nickte vor mich hin. Nichts, für das es keinen einleuchtenden Grund gab.
» Feierabendrunde!«
Ich bestellte ein letztes Glas, und während ich dem Kellner dabei zulächelte, wurde mir bewußt, wie sehr sich mein Geist und meine Laune mit ein paar Apfelweinen aufgehellt hatten. Ich leerte das Glas und fand, damit alles noch heller würde, sollte ich noch was trinken. Ich ging um die Ecke in eine heruntergekommene, die ganze Nacht geöffnete Kneipe. Als ich irgendwann irgendwie nach Hause kam, mußten Geist und Laune wie ein blendender Julihimmel gewesen sein. Leider konnte ich mich am nächsten Morgen an nichts mehr erinnern.
17
Gegen zwölf wachte ich neben dem Sofa zwischen Videokassetten, Zigarettenschachteln und einer leeren Wodkaflasche auf. Vom Fernsehbildschirm leuchtete das Blau des Videokanals. Ich blieb noch einen Moment liegen, ging durch, wo’s weh tat und wo aufs erste Hinfühlen alles in Ordnung schien, hievte mich hoch und ließ das übliche Programm anlaufen: Alkaseltzer, kalte Dusche, schicke Klamotten für einen gebeutelten Körper, einen Liter Wasser, Fenster öffnen und ab ins nächste Cafe, Nahrung aufnehmen.
Eine Stunde später machte die Erde unter mir zwar immer noch erstaunliche Bewegungen, aber ich fühlte mich inzwischen wieder frisch genug, um ins Auto zu steigen und die Verabredung mit Leila einzuhalten. Offenbar waren an diesem Tag nur Anfänger auf den Straßen unterwegs. Während es mich Mühe kostete, ihren merkwürdigen Manövern auszuweichen, ließ mich der Gedanke nicht los, ich hätte gestern beim Telefonat mit dem Albaner irgendwas vergessen. Ihm etwas zu sagen… ihn etwas zu fragen… Ich kam nicht drauf. Und dann war ich auch schon bei Slibulsky.
Der Nachmittag verlief in etwa wie die letzte Susi-Suche - bis auf Leilas Komplimente zu meinem Anzug und ihre Art, mir jedesmal, wenn ich ihr direkt ins Gesicht sprach, das Kinn wegzustupsen. »Riech wie Partymüll.«
Während Leila die Hunde anguckte, saß ich die meiste Zeit auf irgendeiner Kiste, trank Wasserflaschen leer und wollte nicht glauben, wie ausdauernd, laut und schmerzhaft diese Viecher bellen konnten. In Kelkheim meckerte uns ein vorbeigehender Pfleger an, ob wir Zigeuner wären. Vielleicht wegen des Anzugs, vielleicht wegen Leilas buntem Kleid oder ihren silbernen Armreifen und Ohrringen. Keine Ahnung. Als wir nichts erwiderten, blieb er stehen, baute sich vor uns auf und fragte mit vorgeschobenem Kinn, ob wir die Tiere vielleicht essen wollten. Du lieber Himmel!
»Nein, trinken«, antwortete Leila und blinzelte mir zu.
Der Pfleger kniff die Augen zusammen, wandte den Kopf erst zu ihr, dann zu mir und deutete mit dem Daumen zur Seite. »Was hat sie gesagt?«
Ich seufzte: »Na, Sie haben’s doch gehört: Wir kochen die Biester ein, ab durch die Destillation und dann Hucke voll gesoffen. Stört Sie was daran?«
Offenbar hatte er nicht mit einer Antwort gerechnet, jedenfalls nicht mit einer aus ganzen Sätzen. Er
Weitere Kostenlose Bücher