Kayankaya 4 - Kismet
finden werde.« Ich glaubte es wirklich. Manchmal überkommt einen so was ja: ein sicheres Gefühl, etwas könne nur gelingen. Torjäger haben es, wenn sie vor einer dicht gestaffelten Abwehrreihe den Ball kriegen und wissen: Da fummel ich mich durch und mach den entscheidenden Treffer. Und sie machen ihn. Oder Kneipenschläger: Okay, das Arschloch ist viel größer, breiter, kräftiger als ich, aber jetzt geh ich hin und hau ihn um. Und sie hauen ihn um. Oder eben Leute, die was suchen: Heute finde ich’s. Und sie finden es.
»Ohne mich kein sehr guter Detektiv.«
»Bei Menschen bin ich besser.«
»Hoffe. Was ist mit Susi?«
»Es gibt noch andere Heime.«
»Wenn meine Mutter wieder da, du nimmst mich mit?«
»Aber klar. Bin ja aufgeschmissen ohne dich.«
Punkt sechs klingelte das Telefon, und Höttges teilte mir mit, eine Stascha Markovic sei seit Sonntag weder verhaftet noch sonst irgendwie aktenkundig geworden.
»Hör mal, Leila…« Ich setzte mich zu ihr aufs Sofa. »Es ist besser, du schläfst heute nacht bei Freunden von mir…« Ich hätte mir die Pädagogik sparen können. Zu meiner Überraschung war sie sofort einverstanden.
»Bin ich lieber nicht allein, weißt du?«
»Verstehe.«
Kurz vor sieben lieferte ich sie bei Slibulsky ab.
15
Ahrens’ weiße Zähne und der Schriftzug Ahrens-Suppen, Glück im Topf leuchteten durch die Dämmerung. Ich stand gegenüber dem dunklen Backsteingebäude in einer Telefonzelle und schob abgelaufene Telefonkarten in den Schlitz.
Hin und wieder gab es schon mal Situationen, die mich den Luxus, den es bedeutete, kein Mobiltelefon zu besitzen, vergessen ließen. Zwei-, dreimal im Monat, wenn ich auf öffentliche Telefonzellen angewiesen war oder wenn einer dieser Kellner, die sich verhielten, als glaubten sie, ohne Gäste liefe ihr Laden besser, mir kein Geld wechseln wollte, oder wenn bei Bedarf ganz einfach weit und breit kein Telefon rumstand. Doch den Rest der Zeit war kein-Mobiltelefon-haben wie immer-ein-bißchen-auf-Urlaub-sein. Bei Slibulsky erlebte ich die tägliche Plage: Konnten Nachrichten hinterlassen werden, war jeder beleidigt, bekam er nicht sofort einen Rückruf; konnten keine hinterlassen werden, war erst recht jeder beleidigt. Und da so ein Gerät wegen möglicher wichtiger Anrufe, für die man es ja nun mal angeschafft hatte, nur selten abgeschaltet wurde, zerriß einem, ob man dranging oder nicht, etwa alle zwanzig Minuten eine Tonfolge das Trommelfell, als sei Feuer ausgebrochen. Vielleicht hatte es mit einer unglücklichen Quotenregel zu tun, vielleicht beschäftigten sie bei der Entwicklung neuen Telefongeklingels Gehörlose. Oder der ganze Mobiltelefonlärm war eine Art Menschheitsversuch: Können wir fast jeden Über-ein-paar-hundert-Mark-im-Monat-Verfüger, unabhängig von Herkunft, Religion, Geschlecht und Bildung, zu einem armen, sich selbst terrorisierenden Idioten machen? Soweit ich mitbekam, konnten sie.
Die nächste Karte schnappte ein, und ich wählte die Nummer des Gemüsehändlers.
»Hier Kayankaya. Alles in Ordnung?«
Schwerer Atem, zitternde Stimme. »Herr Kayankaya, was für ein Glück, ich bin völlig…«
»Entschuldigen Sie«, unterbrach ich, »aber ich sitze gerade in einer wirklich wichtigen Besprechung, und die wird noch eine Weile dauern. Darum müssen Sie sich heute, sollte tatsächlich etwas passieren, wohl oder übel an die Polizei wenden. Und wenn die Beamten nicht rechtzeitig eintreffen, nun, dann möchte ich Ihnen aufgrund meiner Erfahrungen sagen: Sich mit einem Stuhl oder Hammer der Situation von Mann zu Mann zu stellen ist allemal erfolgversprechender, als sich die Ohren zuzuhalten und auf die Explosion zu warten.«
»…Ah… aha…«
»Tja, ich muß zurück. Wenn ich nach Hause komme, melde ich mich bei Ihnen. Bis dahin…«
»Warten Sie, bitte, ich … ich habe mir heute überlegt, also, wenn das so weitergeht, ich meine, vielleicht wäre es besser, ich gebe die Wohnung auf und…«
»Ziehen um?«
»… Sehen Sie, ich bewundere Ihre Art, an so eine Sache ranzugehen, sehr, aber… also, Bomben und Stühle und von Mann zu Mann - ich habe seit gestern abend nichts mehr gegessen, und mein Herz, ich weiß nicht, aber wenn es noch ein bißchen länger so schlägt, dann explodiere ich von ganz allein.«
»Verstehe. Aber das ist natürlich ein großer Schritt. Vom ersten Impuls her würde ich sagen, vielleicht auch ein vernünftiger. Aber lassen Sie uns noch mal darüber nachdenken. Vielleicht,
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