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Kayankaya 4 - Kismet

Kayankaya 4 - Kismet

Titel: Kayankaya 4 - Kismet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Arjouni
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wer weiß, na ja. Möglicherweise ist das die beste Lösung - doch so leid es mir tut, jetzt muß ich…«
    »Ja, natürlich. Aber Sie rufen mich bestimmt an, wenn Sie…«
    »Wenn ich wieder da bin, selbstverständlich.«
    Ich legte auf und war froh, Leila zu Slibulsky gebracht zu haben. Als Alarmschläger mochte der Gemüsehändler vielleicht funktionieren, als irgendein Hindernis für Typen, die ins Haus wollten, ganz sicher nicht. Dafür hatte ich die kurze Vision eines neuen, freundlichen, humorvollen, zivilisierten, ganz und gar wunderbaren Nachbarn.
    Ich nahm meinen Beutel, verließ die Zelle und lief am Eingang von Ahrens’ Suppenfirma vorbei die Straße hinunter. Etwa hundert Meter weiter kletterte ich über den Zaun eines Reifenhändlers, schlich über den Hof und näherte mich der Rückseite des Backsteingebäudes. Im ersten Stock fiel durch eine offene Tür schwaches Licht in eins der Büros. Ich turnte einen angeketteten Reifenstapel hinauf, schwang mich auf die Mauer, wand mich durch gespannten Stacheldraht und ließ mich auf der anderen Seite in einen Kieshaufen fallen. Ein gepflasterter Weg führte um das Backsteingebäude zur Blechhalle. Dort, nahm ich an, wurden die Suppen oder Bonbons oder sonstwas hergestellt. Vielleicht wurde aber auch nichts mehr hergestellt. Vielleicht diente die Halle jetzt als Armeetreff, und für Samstag waren schon die Tische gedeckt.
    Es gab ein verschlossenes Eingangstor, eine Menge verschlossener Türen und vermutlich eine Alarmanlage. Ich ging einmal um die Halle herum und fand eine lose Klappe über einer Wasserrinne, die gleich daneben unter einem Blech im Boden verschwand. Ich hob die Klappe an und horchte. Nichts passierte. Zwischen Klappenangeln und Rinnenboden waren etwa dreißig Zentimeter Luft. Bis zum Bauch kam ich glatt durch, dann führten zwei Umstände zur Fast-Ohnmacht: Erstens klemmte ich mir den Atem ab, zweitens schlug mir ein dermaßen strenger Uringeruch entgegen, als kochten sie das Zeug hier zu Essenzen. Keuchend quetschte ich mich Zentimeter um Zentimeter weiter. Keine Luft zu bekommen war schon ziemlich schlecht, noch schlechter war es, diese Luft zu bekommen. Wer pißte so was? Tütensuppenmischer? Der fette Hesse? Das hübsche Fräulein aus dem Sekretariat? Endlich drin, zog ich den Beutel hinterher, richtete mich auf und knipste die Taschenlampe an. Möglicherweise bin ich idealistischer oder autoritätsgläubiger, als ich wahrhaben möchte - jedenfalls versetzte mich der Zustand der Großraumtoilette dieses immerhin eine Art von Lebensmittel produzierenden Betriebs in Fassungslosigkeit. Das war nicht einfach nur ein bißchen auf die Brille gekleckert, hier fand ganz offensichtlich ein Wettbewerb statt, wer die größte Sauerei hinterließ. In den Ecken häufte sich benutztes Toilettenpapier, die ehemals weißen Kacheln um die Pissoirschüsseln überzog eine trübe, fleckige, zum Teil kristallisiert wirkende Schicht, und den Boden bedeckte eine einzige dicke, oder tiefe, jedenfalls beim Auftreten leicht nachgebende, klebrige Schliere. Ich machte, daß ich rauskam.
    Vor der Toilette befand sich eine Pausenecke mit Kaffee- und Getränkeautomat, daneben ein kleines Büro hinter Glas, und gleich dahinter der erste von unzähligen, nur mit knapp zwei Meter hohen Stellwänden begrenzten Räumen. Während ich an enormen Töpfen, ebenso enormen, vermutlich computergesteuerten Rührschaufeln, Fließbändern, von Raum zu Raum führenden Rohren, gestapelten Plastiksäcken, mit Kartons beladenen Paletten, einem Gabelstapler und allerhand anderem Zeug vorbeilief, gelangte ich zu der Überzeugung, daß der strenge Toilettengeruch von dem ebenso strengen, fast identischen, in allen Räumen herrschenden Suppenpulvergeruch herrühren mußte. Na klar, was aßen die Angestellten in der Mittagspause? Und was schieden sie also aus? Doch dann fiel mir das Fehlen sowohl jeglichen Pulvers wie möglicher Zutaten auf, und ich roch angewidert an mir herunter. Sollte ich Leilas Mutter heute abend finden und mitnehmen können, wäre das ein umwerfender erster Eindruck.
    Im hinteren Teil der Halle mischte sich ein zweiter Gestank hinzu. Etwas Ranziges, ganz entfernt an Schokolade Erinnerndes. Und noch etwas änderte sich: In den Räumen, die ich jetzt durchquerte, war bis vor kurzem gearbeitet worden. Auf einem Fließband lagen dunkle, unverpackte, kleine Stücke, dann verschwand das Band in einer Höhle aus allerlei Geräten und Stanzen, bis es nach zwei Metern mit

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