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Kaylin und das Geheimnis des Turms

Kaylin und das Geheimnis des Turms

Titel: Kaylin und das Geheimnis des Turms Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Sagara
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deine Wachen zu beseitigen. Er zeigt nur selten Gnade, und wenn er es tut, dann nie ohne Grund. Oder einen Preis. Komm. Ich führe dich zum Westflügel. Lord Evarrim gefällt nicht, was sich ereignet hat, aber nicht einmal er war mutig genug, Einspruch zu erheben. Du bist jetzt ein Teil des Hofes, ob du es willst oder nicht.”
    “Was habe ich davon?”
    “Du kannst dich in den Hallen frei bewegen.”
    “Das durfte ich vorher
auch
.”
    Sein unverfälschtes Lächeln war wunderschön. Es war ein Geschenk. Sie fühlte sich unwohl. “Durftest du. Aber jetzt darfst du es auch ohne Begleitung.”
    “Das Gebot deines Vaters lautet, ich brauche sehr wohl Begleitung.”
    “Die Begleitung hat nur noch dekorative Zwecke”, antwortete der Lord der Westmarsche. “Ich verstehe, was ich noch nicht begriffen habe, als du mit Lord Andellen angekommen bist.”
    Dieses Mal wurde ihr klar, dass der Titel, den er hier benutzte, nicht vielen gewährt wurde. “Was wäre das?”
    “Er war dein Anker in den Hohen Hallen. Samaran konnte nicht sein, was Andellen sein konnte, falls es zum Äußersten gekommen wäre. Jetzt, Kaylin, brauchst du ihn nicht mehr.”
    Aber das war noch nicht alles. Sie sprach es nicht aus.
    “Ich werde nicht fragen, was du gesehen hast. Lord Evarrim war dreist und hat dir sehr viel Unwissen unterstellt.”
    Sie nickte.
    “Stattdessen möchte ich wissen, woher du wusstest, dass du nicht antworten darfst.”
    Sie sah das scharf geschnittene Profil des Lords der Westmarsche. “Können wir gehen?”, entgegnete sie. “Ich bin ganz steif. Wenn ich mich nicht bald bewege, kann ich es gar nicht mehr.”
    “Ah. Nun gut.” Er hob seine Hände, und darin baumelten an ihren Senkeln ihre Schuhe. Sie verzog das Gesicht. Sie konnte sich nicht erinnern, sie ausgezogen zu haben. Aber sie nahm sie entgegen und zog sie an – entweder das oder sie ließ sie ihn weiter tragen, und so dumm war nicht einmal Kaylin. Sie begannen im Garten umherzugehen, und der Gesang der Barden wurde durch das Gezwitscher der Vögel ersetzt. Das Kreischen und Schnattern war fast eine Erleichterung. Als sie aufsah, bemerkte sie vorbeiziehende Farbschweife. Es hieß, dass Falken farbenblind waren. Sie fragte sich, ob es stimmte.
    Sie verließen den Garten durch eine Tür, an die Kaylin sich nicht erinnern konnte. Es hatte den Vorteil, dass sie nicht am Thron und am Rest des Hofes vorbeigehen mussten. Stattdessen führte der Weg in Gänge, die sich irgendwie vertraut anfühlten.
    Sie sah zu ihm auf und ertappte ihn dabei, wie er sie beobachtete. “Das ist”, sagte er, “der Weg in den Flügel, der mir gehört.”
    Sie nickte.
    “Und das weißt du jetzt.”
    Nickte wieder.
    “Du hast meine Erwartungen, was das angeht, übertroffen. Du hast die Hoffnungen vieler zerschlagen. Begreifst du, dass du dich zu einer Bedrohung gemacht hast?”
    Sie runzelte die Stirn.
    “Das dachte ich mir. Du tust so vieles, ohne über die Folgen nachzudenken.”
    “Ich lebe einfach gern”, erwiderte sie verärgert, “und es hieß entweder machen oder sterben.”
    “Das stimmt durchaus. Aber du bist trotz des Zeichens auf deiner Wange hier geduldet worden, weil du sterblich bist. Was du jetzt aus dir gemacht hast, vermag nicht einmal der Lord des Barranihofes zu sagen.”
    “Und sein jüngerer Sohn?”
    Der Lord der Westmarsche lächelte. Es war ein kaltes Lächeln. “Ich kann die Hand von Nightshade in allem erkennen. Er konnte sie schon immer weit ausstrecken.”
    “Er hat nicht …”
    “Nein. Er hat dir nicht gesagt, was du tun sollst. Das konnte er nicht. Und auch wenn ich nicht behaupte, ein Experte für die Sterblichen zu sein, weiß selbst ich, dass es schwierig sein würde, dich zu lenken. Lord Andellen war dort. Und ich glaube, er befürwortet es. Aber du bist jetzt eine Gefahr.”
    “Ich bin immer noch sterblich.”
    “Bist du das, Kaylin?” Er hielt inne. Sie wurden auf beiden Seiten von Stein eingerahmt, zeitlos bis auf die barranischen Runen, die sie vom Boden bis zur Decke bedeckten. “Noch kein Sterblicher hat diese Prüfung bestanden.”
    Sie zuckte mit den Schultern. Es war ihr unangenehm. “Kein Sterblicher hat sich ihr bisher unterzogen.”
    “Es wird für allgemein bekannt gehalten, dass jene, die keine Macht besitzen, sie nicht bestehen
können.
Doch du hast es getan. Du bist also nicht ohne Macht, wie wir sie verstehen – und du gehörst Nightshade. Du trägst sein Zeichen.” Er wartete darauf, dass sie etwas sagte. Sie

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