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Kaylin und das Geheimnis des Turms

Kaylin und das Geheimnis des Turms

Titel: Kaylin und das Geheimnis des Turms Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Sagara
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Westmarsche aufgewacht war, stattgefunden.
    Der Lord der Westmarsche selbst hatte gesagt, dass sein Bruder, der Lord der grünen Auen, für sein Koma verantwortlich war, und da sie ihn berührt hatte, konnte Kaylin nicht anders, als ihm zu glauben.
    Also was war vier Stunden vorher geschehen?
    Was hatte …
    “Lord der Westmarsche.”
    Er blieb wieder stehen, und wieder hatte sie eine tolle Aussicht auf seinen Rücken. Auf seine höfischen Roben, seine perfekten Schultern, seine vollkommen gerade Wirbelsäule, sein langes, dunkles Haar.
    “Wann genau, sagst du, bist du mit dem Lord der grünen Auen zusammengetroffen? Wann hat er versucht, dir … deinen Namen zu nehmen?”
    “Ich sagte es nicht.”
    Vier Stunden, dachte sie.
    Fünf Minuten nach der zweiten Mittagsstunde. Sie erlaubte ihm, sie in den Westflügel zu führen, auch wenn sie nicht mehr vorhatte, zu schlafen.
    Severn wartete in dem Raum mit den bunten Glaswänden auf sie. Warten bedeutete in diesem Fall, dass er wieder so nahe vor ihnen stand, dass alles vor seinen Augen verschwimmen musste. Er hörte, wie sie den Raum betrat, aber er ließ sich einige Minuten Zeit, ehe er reagierte.
    Diese Minuten wurden von Andellen und Samaran gefüllt. Sie verbeugten sich auf wirklich nervige Art vor ihr, als sie das Zimmer betrat. Dem Lord der Westmarsche fiel es nicht auf, da sie ihm auf die gleiche Art Respekt erwiesen.
    Kaylin sah an ihrem Kleid hinab.
    “Ich nehme nicht an …”, begann sie.
    Aber der Lord der Westmarsche nickte bloß in Richtung Bett. Dort lag eine ganze Menge Seide, die ein bisschen so aussah, als hätten die Näherinnen sie ein- oder zweimal in ihrem Leben berührt. Die Farbe war ein blasseres Grün als die Fetzen des Kleides, das sie gerade trug.
    “Bad?”, fragte sie.
    Er nickte wieder. “Falls du Hilfe wünschst, werde ich jemanden schicken. Falls du lieber deine Wachen damit betraust …”
    “Ich kann alleine baden”, sagte sie knapp. Und überlegte es sich dann anders. “Weißt du, wo Teela – Lady Anteela – ist?”
    “Falls das deine eigentümliche Art ist, mich zu bitten, sie kommen zu lassen, werde ich das tun.” Seine Augen waren grün, und sein Mundwinkel hob sich zu etwas, das ein Lächeln sein könnte. Eines, das auf ihre Kosten ging.
    Kaylin war sich nicht sicher, ob das Bad eine Wanne sein würde – wie die, die sie nicht besaß – oder ein See mit einem kleinen Wasserfall, denn Letzteres schien in den Hallen passender.
    Wenn es Letzteres war, dann befand er sich jedenfalls in einem
riesigen
Raum – fast größer als der Falkenhorst in den Gesetzeshallen – mit fast keinem Boden. Es sei denn, man konnte auf dem Wasser gehen, und Kaylins Arroganz mochte zwar von vielen beanstandet werden, aber so weit war es mit ihr noch nicht gekommen.
    Der Lord der Westmarsche verabschiedete sich an der Tür und zeigte vorher noch auf die Handtücher – eigentlich mehrere Meter Stoff.
    Sie sah sie an und dann sehnsüchtig auf das Wasser. Die Wahrheit – die sie für einen Augenblick vergessen hatte – war, dass sie nicht baden konnte, weil sie nicht alleine aus dem Kleid herauskam. Severn zu bitten, ihr das Kleid aufzuknöpfen, ehe sie die offenen Korridore hinabgestampft war, hatte sie vergessen. Selbst wenn, hätte sie es nicht getan.
    Sie zog ihre Schuhe aus und steckte ihre Zehen ins Wasser. Es war warm. Heiß sogar. Aber trotzdem klar und ruhig. Wären Fische darin gewesen, hätte sie aufgegeben und sich mit dem Dreck abgefunden. In ihrer Kindheit hatte sie ganze Winter hinter sich gebracht, ohne sich viel zu waschen. Das Wasser war entweder kalt oder vereist gewesen, Wärme war immer knapp.
    Aber Teela betrat den Raum und veränderte damit seinen Charakter. Was ihr friedlich und einsam vorgekommen war, schrumpfte in ihrer Gegenwart zusammen. Sie war nicht wirklich wütend, aber glücklich war sie auch nicht. In genau diesem Zustand fand man sie meistens in einer Taverne wieder, in der sie erst die Betrunkenen filzte und dann selber zu einer von ihnen wurde.
    Man spürte sofort, dass Spieltische und eine Bar fehlten. Aber der Blick, als sie sich zu Kaylin umdrehte, war die vertraute Verzweiflung. “Kaylin, pass auf”, sagte sie in scharfem Elantranisch, “ich bin hier
keine
Bedienstete.”
    “Ich weiß. Du bist eine Lady des Barranihofes.”
    “Und welcher Teil von Lady heißt ‘Hilft einer anderen Lady beim Baden’?”
    “Du musst mir nicht beim Baden helfen.” Kaylin drehte ihr fast hilflos den Rücken zu.

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