Kaylin und das Geheimnis des Turms
das ist ein paar Fragen wert?”
“Nicht solche, die man beantworten muss.”
“Liegt es an dem Zeichen?”
“Liegt was an dem Zeichen?”
“Du willst mir hier keine Fragen beantworten, weil ich Nightshades Zeichen trage.”
Teela streckte fast träge die Hand aus, und Kaylin bekam das Wasser voll ins Gesicht. Sie prustete, und Teela wartete, bis sie damit fertig war. “Wage es nicht”, sagte sie mit einer Stimme, die genauso gut Marcus gehören könnte, “mich zu beleidigen.”
“Ich hab mich ja nur gefragt …”, setzte Kaylin mit viel leiserer Stimme an.
“Die Teufel hast du. Der Grund, warum ich deine Fragen nicht beantworte – abgesehen von dem, den ich dir gerade gegeben habe –, ist, dass du den Hof nicht verstehst und du ein großes Mundwerk hast.”
“Aber wenn ich es nicht verstehe, mache ich dann nicht noch mehr Fehler?”
“Ich glaube nicht, dass das möglich ist”, antwortete Teela. Aber sie veränderte ihre Haltung und ließ sich tiefer ins Wasser sinken. “Aber es könnte sein”, räumte sie ein, und man merkte, wie sie sich jedes Wort abringen musste.
“Du glaubst doch nicht, dass Nightshade mich durch das Zeichen kontrolliert.”
“Nein. Ich dachte, er könnte es, bis du in den Kolonien gekämpft hast.” Sie erwähnte nicht den schwarzen Drachen, dessen Plan fast das gesamte Kaiserreich zerstört hatte, aber andererseits tat das fast niemand. “Selbst dann schien es noch eine Möglichkeit zu sein. Aber jetzt? Nein, Kaylin. Das fürchte ich wirklich nicht.”
“Dann …”
Teela imitierte einen Leontiner weiter und knurrte leise. Dann äußerte sie etwas, das selbst Marcus nur selten sagte. “Du bist meinetwegen hier”, erklärte sie dem jüngeren Falken. “Und es wurde mehr als deutlich gemacht, dass du in derselben Verfassung zurückkommen sollst, in der du losgezogen bist. Von Marcus. Es war kein Scherz.”
“Die macht er nur selten.”
“Es war ihm todernst.”
Das war schlecht. “Ich bin nicht verletzt”, lenkte sie ein.
Teela schlug mit der flachen Hand gegen die Fliesen, mit denen das Becken eingefasst war. Der Klang hallte nach. “Ich kann mir beim besten Willen nicht erklären, wieso Marcus dich noch nicht gefressen hat.
Kätzchen”
, beendete sie den Satz mit dem leontinischen Wort.
“Ich muss etwas wissen.”
“Schon gut, schon gut. Ich höre ja zu. Es gefällt mir nicht, und ich freue mich darauf, entweder auseinandergerissen oder vom Falkenlord selbst von seinem Turm geworfen zu werden – hatte ich erwähnt, dass er auch gesagt hat, ich soll dich ständig beobachten? –, aber ich höre dir zu.”
“Wann wurde der Lord der Westmarsche gefunden?”
Teelas Gesichtsausdruck veränderte sich überhaupt nicht. Aber das Knurren hörte auf. “Fast vier Stunden bevor ich dich in meine Gemächer gebracht habe.”
“Das waren wirklich deine.”
“Ja.”
“Du hast ihn gefunden?”
“Kaylin …”
“Ich glaube, das ist wichtig”, sagte Kaylin mit gesenkter Stimme. Ihr Blick war fest auf Teela gerichtet.
“Du hast den Falkenblick in den Augen”, bemerkte Teela mit nur einem Funken Braun in ihren, der den Worten Wärme verlieh. “Und du bist auf der Jagd. Was hast du gesehen, Kaylin?”
“Ich weiß es noch nicht. Ich bekomme die Teile noch nicht alle zusammen. Ich würde Geld wetten – sogar mein eigenes –, dass ich noch nicht alle gesehen habe.” Sie wartete ab.
“Ich habe ihn gefunden, ja.”
“Du bist ihm gefolgt.”
“Ja, wenn du es unbedingt wissen musst. Ich bin ihm gefolgt.”
“Warum?”
“Das kann ich dir nicht beantworten.”
“Okay. Also hattest du den Befehl, ihm zu folgen.”
Teela leugnete es nicht. Dieses Gespräch erinnerte Kaylin an ihre Jugend in den Kolonien. An zwanzig Fragen, ein Spiel, das sie nachts spielten oder wenn starker Regen fiel und sie sonst nirgends hinkonnten. Severn hatte ihr den Spitznamen Bulldogge gegeben, wenn sie spielten, weil sie sich eisern weigerte, die Fragen zu zählen, die sie gestellt hatte. Andererseits, als sie angefangen hatten, das Spiel zu spielen, konnte sie auch noch nicht zählen.
“Und du kannst mir nicht sagen, wer dir diesen Befehl erteilt hat.”
“Es war kein Befehl.”
“Eine Empfehlung kann bei Hofe das Gleiche sein wie ein Befehl.” Kaylin hielt inne. Dann sprach sie nachdenklicher weiter. “Aber nicht von jemandem, der jünger oder weniger mächtig ist als du.”
Teelas Schweigen war wie ein Nicken. Es fehlte nur die Bewegung.
“Der Lord
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