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Kaylin und das Geheimnis des Turms

Kaylin und das Geheimnis des Turms

Titel: Kaylin und das Geheimnis des Turms Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Sagara
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nach oben, indem sie sich am Geländer emporangelte, bis kein Geländer mehr da war. Ihre Tür lag vor ihr. Sie war überrascht, sie offen vorzufinden.
    Und noch überraschter, als sie sah, wer sie in ihrem Zimmer erwartete. Severn, im Mondlicht. Er hatte sogar die Fensterläden geöffnet, dieser Bastard.
    Andellen war hinter ihr. Sie wusste es, weil Severns steinerne Miene sich zu etwas viel weniger Freundlichem wandelte.
    “Wann habe ich dir denn einen Schlüssel gegeben?”, murmelte sie.
    “Hast du nicht.”
    “Was zum Henker machst du hier?”
    “Warten.”
    Sarkasmus kostete zu viel Kraft. Sie stolperte über ihre Schwelle. Andellen folgte ihr.
    Toll, dachte sie, jetzt kämpfen die beiden. Und ich verliere die Wohnung.
    Aber … das taten sie nicht. Nichts ergab mehr einen Sinn. Severn war angespannt und offensichtlich wütend, als er auf sie zuging.
    “Jemand hat mir eine Nachricht zukommen lassen”, sagte er, als er sie auffing. Seine Hände waren kalt. Und steif.
    “Der Koloniallord vertraut sie Euch an”, sprach Andellen. Sie sah ihn dabei nicht. Konnte es nicht. Sie konnte die Kuhlen unter Severns Schlüsselbein sehen, und damit war ihr gesamtes Sichtfeld ausgefüllt.
    “Du blutest”, flüsterte er ihr ins Ohr.
    “Nicht mein Blut”, murmelte sie schwach. “Aber das Kind ist ein Mädchen.”
    Es war das Letzte, was sie sagte, und sie glaubte, sie lächelte dabei.
    Sonnenlicht war der Fluch ihres Daseins.
    Spiegel auch. Und das Innere ihres Mundes? Das war auch ganz schlimm. Ihre Augen waren verkrustet, ihre Arme fühlten sich an, als hätte sie auf dem Drillplatz Liegestütze gemacht, und ihre Beine – ach, egal, die waren noch schlimmer.
    Der Spiegel knurrte. Er war abgedeckt und knurrte.
    Und so hell, wie die verdammte Sonne schien, war sie froh, dass es ihr schwerfiel, die Augen zu öffnen.
    “Kaylin Neya!”
    Niemand, dachte sie verbittert, sollte von
dieser
Stimme geweckt werden. Marcus Kassan hatte schlechte Laune.
    “Kaylin, nimm das verdammte Tuch vom verdammten Spiegel und antworte mir!”
    “Komme” konnte sie sich selbst entlocken und drehte sich um.
    Entweder hatte ihr Bett im Laufe der Nacht seine Form dramatisch verändert, oder es lag noch jemand darin. Sie sprang auf, schlug sich den Hinterkopf an den offenen Fensterläden an und fluchte laut und wütend auf Leontinisch.
    Was natürlich Marcus’ Antwort auch viel farbenfroher ausfallen ließ.
    Severn lag auf der Seite, auf einen Ellbogen gestützt. Seine Haare fielen ihm über ein Auge, und die Narbe auf seiner Wange sah im Sonnenlicht weiß aus. Er sah nicht verschlafen aus.
    “Wie lange bist du schon
hier
?”, zischte sie ihn an, als sie am unteren Ende die Matratze entlangkroch.
    Er zuckte mit den Schultern. “Lange genug.”
    “Warum bist du nicht an den verdammten Spiegel gegangen?”
    “Der Hauptmann hat schlechte Laune”, antwortete er. Er klang fast belustigt. Aber er sah nicht so aus, also schlug sie nicht nach ihm.
    Es gab Regeln, die sie zu befolgen versuchte, wenn sie eine Heilung unternahm, egal wie schwer, und die erste davon war: nicht hinhocken. Sich stundenlang hinzuhocken war für ihre Knie die reinste Tortur. Unglücklicherweise schienen Notfälle ihr jeden Verstand zu rauben, als wäre sie eine Art Schaf.
    Oh, es war schlimm. Die Sonne stand höher als hoch, und die Schatten, die sie warf, erinnerten Kaylin nachdrücklich daran, dass sie – schon wieder – zu irgendetwas zu spät kam.
    Marcus
fraß
den Spiegel geradezu, als sie es endlich ans Ende geschafft hatte und das Tuch von seiner alles anderen als makellosen Oberfläche zog. Als sie Marcus’ Gesicht sah, überlegte sie kurz, das Tuch zurückzuhängen. Unglücklicherweise hatte er sie schon gesehen.
    “Wo verdammt noch mal bist du gewesen?”
    “Weg.”
    Er schnaufte, aber es klang schon etwas weniger schlimm. Er wusste, was sie tat, wenn sie keinen Dienst hatte, auch wenn es theoretisch sowohl illegal als auch unmöglich war.
    “Du hast eine Besprechung”, knurrte er.
    “Wann?”
    “Vor einer halben Stunde.”
    An manchen Tagen lohnte es sich einfach nicht, am Leben zu sein.
    “Wie wichtig ist diese Besprechung?”
    “Kommt darauf an.”
    “Auf was?”
    “Wie gut es dir gefällt, den Falken zu tragen.”
    Sie stöhnte. “Verschaff mir Zeit?”
    “Habe ich schon”, fuhr er sie an und entblößte die ganze Reihe seiner leontinischen Zähne. Sie waren wirklich beeindruckend. “Und, Kaylin?”
    “Ja, Marcus?”
    “Es gefällt

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