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Kaylin und das Geheimnis des Turms

Kaylin und das Geheimnis des Turms

Titel: Kaylin und das Geheimnis des Turms Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Sagara
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Braue.
    “Lord Grammayre”, berichtigte sie sich, “hat gesagt, ich fliege raus, wenn ich das nicht lerne. Weil die Gesetze auf Barrani geschrieben sind – Hochbarrani –, und wenn ich die nicht kenne, kann ich sie auch nicht durchsetzen.”
    “’Sie repräsentieren’ sagt man, glaube ich. Du hast gelernt, Waffen zu benutzen.”
    Sie nickte.
    “Und du bist auch im unbewaffneten Nahkampf talentiert.”
    Sie nickte wieder. “Das ist ja auch nützlich.”
    “Geschichte hat ihren Nutzen.”
    “Für Tote vielleicht”, sagte sie patzig.
    “Die Lebenden definieren sich durch ihre Toten.”
    Sie schwieg.
    “Du hast vergleichende Religion fast bestanden. Bei den Lektionen über die Rassen hast du kaum aufgepasst.”
    Erneut trat Stille ein.
    “Nun gut. Deine Lehrer – allesamt Falken – waren sich einig, dir zu erlauben, dich auf der Straße auszuprobieren. Ich denke, sie glaubten, das würde dich zur Besinnung bringen.”
    “Ihr seid nicht hier, um mit mir über meine akademischen Akten zu sprechen.”
    “Tatsächlich, Kaylin, bin ich das sehr wohl. Ich versichere dir, ich spreche nur selten über Dinge, die mich nicht interessieren. Das würde man Politik nennen”, erklärte er, “und wie ich sehe, hast du das …”
    “Auch nicht bestanden, ja.”
    “Warum?”
    “Weil ich nichts mit Politik am Hut haben werde. Wenn Ihr Euch die Akten angesehen habt, wisst Ihr, ich komme aus den Kolonien. Ich bin dort aufgewachsen. Ich habe dort gelebt. Wahrscheinlich habe ich dort hundert Gesetze gebrochen, ohne zu wissen, dass ich etwas Illegales tue.” Sie hatte die Arme vor der Brust verschränkt und schlang sie jetzt noch fester um sich. “Ich bin auf der Straße geboren. Da kenne ich mich aus.”
    “Die Straßen von Elantra sind nicht wie die von Nightshade. Ich bin mir sicher, deine anderen Lehrer haben diese Tiraden ernst genommen. Bei mir musst du dir etwas Besseres ausdenken, Kaylin. Ich bin so alt, dass meine Zeit mir etwas wert ist.”
    Sie stand auf und begann, auf und ab zu gehen.
    “Klammere dich nicht an deinem Unwissen fest.”
    “Tue ich ja nicht.”
    “Versteck dich auch nicht dahinter.”
    “Ich verstecke mich nicht. Ja, der Rest von Elantra ist anders. Aber die Mächtigen sind überall gleich – hier müssen sie nur schlauer sein, wenn sie die Gesetze brechen. Ich bin nicht gut mit Leuten, die über den Gesetzen stehen.”
    “Oder darunter?”
    “Nein, die kann ich verstehen.”
    “Du hast dir viele Dinge beibringen lassen”, fuhr er fort, ohne zu bemerken zu scheinen, dass sie nicht mehr an ihrem Platz saß. “Du hast vier Wochen – ohne Lohn – bei der Gilde der Hebammen verbracht.”
    Sie blieb stehen.
    “Ich habe doch gesagt, ich mache meine Hausaufgaben. Du hast, glaube ich, auch Zeit bei den Findelhallen verbracht …”
    “Lasst die Findelhallen da raus.”
    “… und den Waisenkindern Unterricht gegeben. Im
Lesen
. Im
Schreiben.
Du konntest es kaum ertragen, es selbst zu tun, und ich glaube nicht, dass es sich um ein Zeichen offener Aggression gehandelt hat. Wie erklärst du es also dann?”
    “Gar nicht.”
    Er nickte, als käme die Antwort nicht überraschend. “Nun gut. Lass uns die Richtung unseres Gespräches ein wenig ändern.”
    “Oder auch nicht.”
    Er hob erneut eine Braue über goldenen Augen. Bisher hatte sie es nicht geschafft, ihn zu ärgern, es fand sich nicht einmal ein Hauch von Orange in seinen Augen.
    “Mir ist bewusst, dass Lehren und Lernen nicht alles ist, was du tust, egal ob bei den Hebammen oder in der Findelhalle. Ich bin Berater des Kaisers, Kaylin. Ich bin mir über deine Gabe im Klaren. Leider gilt das auch für den Rest der Falken. Du hast nie gelernt, ein Geheimnis zu bewahren.”
    “Notfälle eignen sich nicht so gut für Geheimniskrämerei.”
    “Richtig. Macht tut das. Verstehst du, dass du Macht besitzt?”
    Sie zögerte. Der Boden unter ihren Füßen schien sich auf eine ihr unangenehme Art zu verändern. Sie widerstand den Drang, die engen Grenzen ihres Stuhles zu verlassen, und setzte sich abrupt wieder hin.
    “Ja”, sagte er leise, in einem anderen Tonfall. “Ich weiß, was du auf deinen Armen und Beinen trägst. Ich habe die Aufzeichnungen gesehen. Ich habe sie sogar untersucht. Ich weiß, dass du die Sterbenden geheilt hast, schon viele Male. Aber ich weiß auch …”
    Sie hob eine Hand, mit der Handfläche nach außen, und drehte sich um.
    Er war ein Drache, durch und durch. “Ich weiß auch, dass du diese Gabe

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