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Kaylin und das Geheimnis des Turms

Kaylin und das Geheimnis des Turms

Titel: Kaylin und das Geheimnis des Turms Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Sagara
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vertrauen. Sie hat sich verwirren lassen, und das nach so kurzer Zeit.” Aber er streckte seine Hand aus. “Es muss wohl in der Natur der Sterblichkeit liegen.”
    “Was muss?”
    “Sich Vertrauen zu verdienen. Man muss nur für wenige kurze Jahre damit umgehen. Wenn du ewig lebtest, wäre diese Aufgabe viel schwerer.” Er streckte seine Hand immer noch aus.
    Sie starrte sie an.
    “Kennst du ihren Namen?”
    “Ihr etwa?”
    Er lachte. “Barrani vertrauen einander nicht.”
    “Na ja, dann ist sie noch nicht so dumm geworden, wie Ihr sagt. So sehr vertraut sie mir nun auch wieder nicht.”
    Er zuckte mit den Schultern. “Ich würde es auch nicht. Du trägst das Zeichen des …”
    “Ja, ja, ich weiß. Ich will Euch nicht drängen, aber ich glaube, wir müssen hier weg.”
    “Ja”, sagte er und blickte über ihren Kopf, “hier, wo keine Nacht hereinbricht, gibt es keine Dämmerung.”
    “Gut. Wie kommen wir von hier fort?”
    Er sah wieder herab und hob eine Augenbraue. “Du bist hergekommen, ohne zu wissen, wie man zurückkehrt?”
    Sie zuckte mit den Schultern. “Zu der Zeit schien es eine gute Idee zu sein.”
    “Ich will nicht wissen, was du für eine
schlechte
Idee hältst.”
    Sie wendete sich ab. “Euch nach Eurem Namen zu fragen.”
    Er berührte ihre Hand, und sie sah zu ihm auf.
    “Es gibt unter meiner Art einige, die lieber sterben würden, als ihren Namen preiszugeben.”
    “Das … scheint auch die einzige Wahl zu sein.”
    Seine Augen waren noch klar und immer noch grün. Er war auch nicht kleiner geworden. Er ließ ihre Hand los und ging an den Stamm des Baumes, der aus ihrer Tunika gewachsen war. Ohne Worte berührte er ihn und senkte seine Lider. “Vielleicht gibt es noch einen Weg”, sagte er mit geschlossenen Augen. “Aber das wäre wenig dankbar, wo du so viel riskiert hast.” Seine Hände glitten die glatte Oberfläche der Rinde hinauf, und er neigte sein Gesicht, während sie sich bewegten. Goldene Blätter fielen wie ein Regen aus Wärme und Farbe um ihn herum herab.
    Falkenfedern.
    Als seine Augen sich öffneten, spiegelte sich Gold in ihnen. Sie hatte diese Farbe noch
nie
bei einem Barrani gesehen. Es war, als wäre er leer und nur die Blätter selbst füllten ihn.
    “Du hast mehr gegeben, als du ahnst”, sagte er leise, “und du magst es noch bereuen. Ich will nicht sagen – auch nicht von anderen hören –, dass ein ignoranter Mensch fähig war, an einen Ort zu gehen, der einem Lord der Barrani verwehrt war. Was wirst du mit meinem Namen tun?”
    “Euch wecken”, flüsterte sie. Und wusste, es war die Wahrheit.
    Hatte es gewusst, noch ehe sie in dem Zimmer, das eine ganze Welt entfernt lag, sein Gesicht berührt hatte.
    Er flüsterte ein einziges Wort.
Lirienne.
Seine Augen blieben auf ihr Gesicht gerichtet, auch wenn das Gold in ihnen verblasste.
    Sie zögerte.
    “Du hast Angst.”
    Sie nickte.
    “Warum?”
    “Namen haben Macht.”
    Er lachte wieder. Blätter fielen. Ein Lufthauch bewegte Zweige hoch über ihnen und veränderte die Form und Textur der Schatten, die ihre Füße bedeckten. “Du verstehst nicht, was ein Name
ist
, Kaylin.”
    “Ich weiß”, flüsterte sie. Und dann, ehe sie sich von ihrem Zögern die Stimme rauben ließ, flüsterte sie ein weiteres Wort.
    Der Himmel zerbarst.
    Sie saß auf einem Bett, die Hände an die Wangen eines blassen, schönen Gesichtes gelegt. Ihr eigenes Gesicht war warm und nass. Das Zimmer war hinter den Vorhängen dunkel und leblos. Wo die Bäume gestanden hatten, waren jetzt Wände und Stein. Auf dem Boden lag Marmor, und hinter ihrer Schulter tröpfelte Wasser.
    Hinter ihr ein Atemzug, Schweigen: Severn. Sein Arm lag immer noch um ihre Taille, und er flüsterte ihren Namen. Immer und immer wieder, als hätte er nichts anderes getan, seit sie sich dem Lord der Westmarsche genähert hatte.
    “Ich bin hier”, sagte sie mit brüchiger Stimme zu Severn.
    Ihr Name verhallte in der Stille.
    Sie hob ihre Hände oder fing an, es zu tun.
    Der Lord der Westmarsche nahm ihre Hände in seine, bewegte sich so plötzlich, so unerwartet, dass sie fast aufschrie.
    Seine Augen öffneten sich, und er starrte Kaylin, ohne zu blinzeln, ins Gesicht. In
ihr
Gesicht, so eckig, dunkel und nicht perfekt.
    Ehe sie sich bewegen konnte, ließ er eine Hand los, streckte seine aus und schob ihren Ärmel hoch über ihr Handgelenk. Dort, nur einen Augenblick sichtbar, lagen die Zeichen der Alten, schwarz auf weiß.
    Er ließ den Ärmel wieder

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