Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kaylin und das Reich des Schattens

Kaylin und das Reich des Schattens

Titel: Kaylin und das Reich des Schattens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Sagara
Vom Netzwerk:
lassen.
    Überraschenderweise löste Tiamaris seinen Griff. “Du bist interessant, Kaylin, wie der Falkenlord schon vermutet hat. Aber jetzt bin ich doch überrascht.”
    “Warum?”
    “Weil der Falkenlord dich am Leben gelassen hat.”
    Kaylin sagte nichts.
    Wieder sagte Severn “Warum?”, ohne dass es einen Sinn ergab. Seine Hände befanden sich wieder unter der Tischplatte.
    “Eure Geschichte … ist seltsam. Und ihr müsst verstehen, dass die Todesfälle, die vor einigen Jahren in den Kolonien gemeldet wurden, ebenfalls untersucht worden sind.”
    Die Toten. Vor sieben Jahren. Sie schauderte.
    Zum ersten Mal, seit sie Tiamaris getroffen hatte, sah er grimmig aus. Wie schneebedeckte Klippen in der Ferne.
    “Du warst damals dabei”, sagte sie leise.
    “Ich war dabei.”
    “Und du warst kein Falke.”
    “Nein.”
    Sie hob ihren bebenden Kopf. Sah hinab auf ihre Arme. “Was bedeutet das alles?”
    “Ich weiß es nicht”, antwortete er, und selbst jetzt sah er ihr immer noch ins Gesicht. “Aber schließlich hat dann das Morden aufgehört. Weiß der Falkenlord von den Zeichen?”
    Sie nickte und sah fast so grimmig aus wie er. “Er weiß fast alles über mich.”
    “Und er hegt nicht den Verdacht, dass du mit den Vorfällen zu tun hast.”
    Sie machte große Augen. Sie war zu erstaunt, um wütend zu sein. Das kam vielleicht später noch.
    “Du verstehst nicht, und anscheinend hielt es Grammayre nicht für nötig, dich zu informieren. Da ich mit dir arbeiten muss, werde ich es deshalb tun. Der erste Tote muss – und Lord Grammayre dürfte mit der ungefähren Zeit vertraut sein – am selben Tag gefunden worden sein, an dem deine Zeichen aufgetaucht sind. Am Tag der Sonnenwende.”
    Die Stille war, wie man sagt, betäubend. Und in diese Stille kroch der Schatten der Anklage.
    “Sie hatte mit dem Tod der anderen nichts zu tun”, fuhr Severn ihn an. “Sie waren alle –”
    “Sei still, Severn”, unterbrach Kaylin ihn.
    Überraschenderweise hörte Severn auf sie.
    “Ich glaube euch”, war die ruhige Antwort. “Weil ich sie kennengelernt habe, glaube ich euch.” Tiamaris sah über den Tisch zu Kaylin. Der Tisch schien auf einmal sehr, sehr lang geworden zu sein. Er sprach aus der Ferne zu ihr. “Du hast gesagt, es hat wieder angefangen. Sag mir, was du vermutest.”
    Sie schluckte. Ihr Mund war sehr trocken. “Die Toten”, flüsterte sie schließlich. “In Nightshade. Ich dachte – als der erste Leichnam aufgetaucht ist, – ich war mir so
sicher
, dass ich als Nächstes sterben würde. Wegen der Zeichen. Das waren wir alle.”
    “Alle?”
    Sie presste die Lippen zusammen. Die Frage blieb unbeantwortet. Es ging ihn verdammt noch mal nichts an. Ein anderes Leben.
    “Was ist geschehen?”
    Sie schüttelte den Kopf. Dann atmete sie tief durch und stand auf. Ihre wunden Handflächen stützte sie auf die harte Oberfläche des vernarbten Holzes. “Ich bin nicht gestorben. Ich weiß nicht warum”, sagte sie schließlich. “Aber ich weiß, wo wir hingehen.”
    “Zu Nightshade”, sagte Severn leise.
    “Zu Nightshade.” Sie ging auf die Tür zu. Blieb stehen. Dann drehte sie sich um und sah Severn an, der nicht aufgestanden war, um ihr zu folgen. “Wir sind noch nicht fertig”, sagte sie ihm leise.
    Er sagte nichts, doch nach einem Augenblick überlegte er es sich anders. “Ich weiß. Elianne –”
    “Ich bin Kaylin”, flüsterte sie. “Vergiss das nicht.”
    “Das werde ich nicht. Was ist mit dir?”
    Sie schüttelte den Kopf, und statt mörderischer Wut fühlte sie etwas anderes, etwas noch Gefährlicheres. “Ich werde nicht vergessen, was du getan hast, damals in Nightshade.”
    Er sagte überhaupt nichts.
    “Ich muss jetzt etwas essen. Wir treffen uns in einer Stunde in der Eingangshalle. Nein, in zwei. Macht euch bereit.”
    “Für die Kolonien?” Er lachte bitter.
    Tiamaris dagegen nickte.
    Sie verließ das Zimmer, ruhig und mit einer erhabenen Würde, die sie nur selten besaß. Erst als sie sicher war, dass die beiden sie nicht mehr sehen konnten, blieb sie stehen und entleerte ihren unerheblichen Mageninhalt.
    Marcus war natürlich da. Als hätte er gewartet. Wahrscheinlich hatte er das. Er legte seine samtenen Pfoten auf ihre Schultern und drückte zu. Sie spürte die weichen Polster seiner Handflächen durch ihre Tunika hindurch. Und die Wärme, die von ihnen ausging.
    “Kaylin.”
    “Ich will nicht zurück”, flüsterte sie in einer Stimme, die sie hasste. Die Stimme

Weitere Kostenlose Bücher