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Kaylin und das Reich des Schattens

Kaylin und das Reich des Schattens

Titel: Kaylin und das Reich des Schattens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Sagara
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hineingezogen zu werden. Er starrte Kaylin an. Seine eigenen Hände hatten begonnen, anzuschwellen und Blasen zu werfen.
    “Hast du es gesehen?”, fragte sie ihn, alle Feindseligkeit für den Augenblick vergessend. Er war Severn, sie war Elianne, und die Straßen der Kolonien hatten das Unmögliche getan: Sie waren noch erschreckender geworden, als sie es beide je für möglich gehalten hatten.
    Er schüttelte den Kopf. “Nein”, sagte er, jetzt ohne Arroganz oder Leichtfertigkeit. “Aber ich weiß, was du gesehen hast.”
    “Wie?”
    “Ich habe dich so nur einmal im Leben schreien gehört”, antwortete er. Er hob eine Hand, als wolle er sie berühren, und sie zuckte sofort zurück und legte eine Hand an den Griff ihres Dolches. An einen der vielen.
    Er akzeptierte ihre Abweisung, als wäre nichts geschehen. “Ich war damals auch dort”, fuhr er leise fort. “Ich habe es auch gesehen. Es fängt wieder an, nicht wahr?”
    Sie schloss die Augen. Nach einem Augenblick, immer noch mit geschlossenen Augen, rollte sie ihre Ärmel hoch und legte damit ihren Arm vom Handgelenk bis zum Ellenbogen frei.
    Dort prangten in schwarzen Linien, die elegant und bedrohlich ineinander verschlungen waren, Tätowierungen, die fast genauso aussahen wie die auf den Armen des toten Jungen.
    Sie war überrascht, als jemand ihr Handgelenk berührte, und riss ihre Augen auf.
    Aber Tiamaris hielt ihr Handgelenk mit einem Griff fest, der wahrscheinlich ohne viel Mühe Knochen zermahlen konnte. Komisch, wie menschlich seine Hände aussahen. Wo sie doch so wenig menschlich waren.
    Sie versuchte, sich loszumachen. Er schien es nicht einmal zu bemerken.
    Doch seine Augen flackerten, als sie mit der freien Hand einen Dolch zog. Sie hatte sich langsam bewegt, und die Dolche machten kein Geräusch – aber er merkte es trotzdem sofort.
    “Das würde ich lassen, wenn ich du wäre. Lord Grammayre hat es nicht gern, wenn in seinen eigenen Reihen gekämpft wird.”
    “Lass los”, flüsterte sie.
    Er schien sie nicht gehört zu haben. “Weißt du, was diese Zeichen bedeuten?”, fragte er. Die innere Membran seiner Augen hatte sich geschlossen und verdeckte das plötzliche Feuer in seinen Augen.
    “Tod”, flüsterte sie.
    “Ja”, antwortete er. Er betrachtete sie sorgfältig, und nach einer Weile wurde ihr klar, dass er die Zeichen
las
. “Sie bedeuten Tod. Aber das ist nicht alles, Kaylin von den Falken.”
    “Sie sind nicht – das ist nicht Drachensprache.”
    “Nein. Viel älter als Drachensprache, wie du unsere Zunge so malerisch bezeichnest.”
    “Barrani?”
    Seine Lippen verzogen sich voll Verachtung.
    “Das nehme ich als Nein.” Sie zögerte. Die Zeichen waren Teil von ihr, seit sie mit zehn Jahren auf ihren Armen erschienen waren, ein hohes Alter in den Kolonien. Kaum ein Kind überlebte so lange, nachdem es beide Eltern verloren hatte.
    “Wo hast du sie her?”
    “Nightshade”, flüsterte sie.
    “Wer hat sie dir gestochen? Wer hat dich so markiert?”
    Es war Severn, der antwortete. “Niemand.”
    “Unmöglich.”
    “Ich habe es gesehen”, antwortete Severn. “Ich habe gesehen, wie sie … gewachsen sind. Das haben wir alle. Sie haben eines Morgens im Winter angefangen.”
    “An welchem Tag?”
    “Dem kürzesten.”
    Tiamaris sagte nichts. Sie wollte, dass er nie damit aufhörte, aber er öffnete doch den Mund. “Ich habe die Leichen gesehen”, sagte er schließlich. “Und die Tätowierungen haben nicht, wie du sagst, einfach ‘angefangen’. Sie sind gemacht worden, und zwar zu einem hohen Preis.”
    “Ihre nicht”, sagte Severn gelassen.
    Tiamaris runzelte die Stirn. “Es gibt hier etwas”, sagte er schließlich, “das selbst ich nicht lesen kann.”
    “Kennst du – kennst du jemanden, der es kann?”
    “Nur einen”, antwortete Tiamaris, “und es wäre zu gefährlich für dich, ihn zu fragen.”
    “Warum?”
    “Er würde dir wahrscheinlich beide Arme abnehmen.”
    “Das kann er ja versuchen”, sagte Severn, und plötzlich lag sein langer Dolch in seiner Hand.
    Kaylin sah erst das Messer an, dann Severn. Sie verstand überhaupt nichts. “Woher weißt du, wie man die Zeichen liest?”, flüsterte sie.
    “Man könnte mich als Gelehrten bezeichnen”, war die vorsichtige Antwort. “Ich beschäftige mich besonders mit dem Altertum.”
    Zauberei also. Sie fragte nicht weiter nach.
    “Lass mich los”, sagte sie müde und versuchte doch, ihre Worte wie einen Befehl klingen zu

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