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Kaylin und das Reich des Schattens

Kaylin und das Reich des Schattens

Titel: Kaylin und das Reich des Schattens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Sagara
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an.
    “Hattest du etwas Besseres zu tun?” Sie fuhr mit der Hand über ihre Augen und zuckte zusammen; es war die aufgesprungene Hand.
    “Als von einem Haufen Papiere wälzender Falken angestarrt zu werden?” Er spuckte zur Seite.
    “Wir haben dich nicht gebeten, dich versetzen zu lassen”, fauchte sie zurück. Nicht, dass es ihr selber gefiel, angestarrt zu werden – aber sie war mittlerweile daran gewöhnt. Außerdem bedeutete es, Marcus’ Fell hatte sich so weit geglättet, dass der Rest der Bürobesetzung es für sicher genug hielt, an den Arbeitsplatz zurückzukehren.
    “Für den Fall, dass dich das überrascht”, sagte Tiamaris in seiner tiefen, ausdruckslosen Stimme, “Kaylin ist nicht bekannt für ihre Pünktlichkeit. Im Grunde ist sie für das Gegenteil berüchtigt – sogar bei denen, die nicht unter dem Befehl des Falkenlords stehen.”
    Ob man daran gewöhnt war oder nicht, niemand mochte es, daran erinnert zu werden, dass man eine allgemein bekannte Peinlichkeit war. Kaylin wurde rot.
    “Hier”, sagte Severn und warf ihr eine Weste zu. Sie war aus schwerem, gepresstem Leder und – so eine Überraschung – genau ihre Größe. Weitere Rüstung trug sie nicht. “Dein Quartiermeister ist auf Zack. Sicher, dass du nur ein Falke bist?”
    “Was sollte ich sonst sein?”
    Sein Gesichtsausdruck wurde unangenehm ernst. “Ein Schattenfalke”, sagte er leise.
    “Ich lebe nicht in den Schatten”, murmelte sie unbehaglich.
    “Seit wann?”
    Sie gönnte ihm keine Antwort.
    “Zieh deine Rüstung an, Kaylin.”
    Sie verzog das Gesicht.
    Noch eine Gewohnheit, die sie in den Kolonien gelernt hatte: Man durfte sich von nichts schwerer machen lassen, denn wenn man fliehen musste, dann in Höchstgeschwindigkeit und meistens mit einer Bande bewaffneter Schläger auf den Fersen. Severn
hatte
sich verändert, er trug die Leder ohne zu zögern. Sie standen ihm gut.
    Er trug auch eine lange, glitzernde Kette aus dünnen Gliedern mehrmals um die Hüfte geschlungen, wie einen Gürtel. Sie bezweifelte, dass sie der Dekoration diente.
    Aber sie hatte ihren eigenen Schmuck.
    Keiner von ihnen trug den Wappenrock, der sie deutlich als Falken auszeichnete – oder als Teil der Stadtwache. In den Kolonien trug man seine Zeichen nur, wenn man als Zielscheibe dienen wollte.
    “Du hast einen teuren Geschmack”, sagte er und starrte auf den Rand der Armschiene, die unter ihrer Tunika hervorblitzte. Das Gold war unverwechselbar. “Ihr werdet wahrscheinlich besser bezahlt als die Wölfe. Man gestattet uns nicht einmal, die Gefallenen zu plündern.”
    Tiamaris sah die beiden abschätzig an.
    “Wo ist deine Rüstung?”, fragte sie den Drachen. Alles, um das Thema zu wechseln.
    “Ich brauche keine.”
    Sie hob eine Augenbraue. Das hatte sie schon Dutzende Male gehört, normalerweise von jungen Möchtegernrekruten. Aber andererseits war auch keiner von denen ein Drache gewesen.
    “Wir sind nicht auf verdeckter Ermittlung”, fuhr sie ihn an.
    “Das tut in den Kolonien niemand.” Sein Schulterzucken war elegant. Es ließ Langeweile wie etwas Mächtiges aussehen.
    Severn hatte ein langes Messer und einige sichtbare Dolche.
    Sie hatte den Rest ihrer Ausrüstung, ihre Wurfmesser, und den Ring, den alle Falken trugen. An ihm drehte sie fast ohne es zu merken.
    “Warum bist du dieses Mal zu spät gekommen?”, fragte Severn beiläufig.
    Sie wollte ihm sagen, dass er sich um seine eigenen Angelegenheiten kümmern sollte, aber es gelang ihr, sich zurückzuhalten. Sie war dabei, mit ihm in die Kolonie Nightshade zu gehen. Sie wollte ihn umbringen. Und sie wusste, was die Falken von ihr verlangten. Das alles wog sie gegeneinander ab. “Ich habe mir die restlichen Informationen aus dem blöden Kristall geholt.”
    “Ohne uns?”
    Sie nickte grimmig.
    “Wie schlimm ist es?”
    “Es ist schlimm”, sagte sie leise. Wirklich, wirklich schlimm. Aber sie konnte sich anderen nicht gut mitteilen. “Es gab zwei Tote. Zwei Jungen.”
    Sein Gesichtsausdruck änderte sich nicht. Er hatte ihn ungefähr so gut im Griff, wie sie ihren jetzt im Griff hatte. “Wann?”
    “Drei Tage auseinander.”
    Tiamaris hob die Augenbrauen. “Drei
Tage
?”
    Sie nickte stumm.
    “Kaylin – ich bin mir nicht sicher, wie viel du mitbekommen hast, als es das letzte Mal passiert ist … du warst noch ein Kind.”
    “Ich habe alles mitbekommen”, flüsterte sie. “Weil ich ein Kind in den Kolonien war.”
    “Es gab genau dreizehn Tote, jedes

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