Kaylin und das Reich des Schattens
unsere Gutachten ausfüllen.”
Toll. Er hasste Gutachten, genau wie jeder andere Falke. “Wo habt ihr gespielt?”
Teela schüttelte den Kopf. “Lass mich reden”, sagte sie, als die Tür sich öffnete.
“Soll ich draußen warten?”
“Nein. Früher oder später wird er es sowieso erfahren.” Sie steckte den Kopf ins Büro und tauchte gleich wieder auf. “Wenn ich es mir genau überlege, gute Idee.” Sie trat ein und schloss die Tür hinter sich.
Die Büros sollten eigentlich schalldicht sein. Also war es kein gutes Zeichen, dass Kaylin einen gedämpften Aufschrei hören konnte. Sie konnte das Wort nicht erkennen, aber das musste sie auch nicht, der Tonfall, besonders weil ein Barrani sprach, war genug.
Sie zwang sich, ihre Schultern nicht zusammenzuziehen, während sie eine gefühlte Stunde lang wartete.
Die Tür öffnete sich, knallte gegen die Wand, von der sie eigentlich ein Teil sein sollte, und fiel fast wieder ins Schloss. Fast, weil Tain im Türrahmen stand. Er starrte in ihr Gesicht, und nur in ihr Gesicht. Dann folgte eine Reihe leontinischer Flüche. Leontinisch war im ganzen Büro die bevorzugte Sprache für Flüche. Aber aus der Kehle eines Barrani fehlte das Knurren, es klang zu glatt. Zu sehr wie ein Kätzchen. Nicht, dass sie Tain das je sagen würde.
Er drehte sich um und sah in sein Büro. “Und wann genau wolltest du mir davon erzählen?”
“Du hast Augen”, hörte sie Teela in ihrer trägen Art sagen. “Ich dachte mir, früher oder später wirst du es schon merken.”
“Steh da nicht so rum”, sagte Tain und starrte Kaylin wütend an. “Komm rein. Wir wollen nicht, dass das ganze Büro darüber klatscht.”
Viel Glück dabei, dachte sie. Aber aus Rücksicht auf seine Laune glitt sie einfach an ihm vorbei und ließ ihn die Tür zuknallen. Was er auch tat.
“Kaylin, wann ist das passiert?”
Sie zuckte mit den Schultern. “Vor ein paar Tagen.”
Er sah Teela vielsagend an, Teela hob eine Augenbraue.
“Der Falkenlord hat mich in die Kolonien geschickt. Ich kann nicht darüber –”
“Wegen der Opfer, richtig?”
“Ich kann
nicht
darüber reden”, fuhr sie mit zusammengebissenen Zähnen fort. “Mit niemandem, es sei denn, der Falkenlord ist anwesend. Ich bin eingeschworen.”
Tain verfluchte die Flugfedern des Falkenlords. Kaylin war ehrlich schockiert.
“Und du bist Nightshade
begegnet
.”
Sie nickte.
“Warum hast du –”
“Hat sie nicht”, sagte Teela leise.
“Er könnte sie nicht zeichnen, ohne –”
“Sie ist menschlich, Tain.”
Er blieb etwa eine Minute lang ruhig.
“Hat je ein Mensch so ein Zeichen getragen? Ich dachte, du hast gesagt –” Kaylin sah Teela an, die auffällig schwieg. Sie hatte nicht die Wahrheit gesagt. Überraschung.
“Menschen sind schon früher von Lords gezeichnet worden, ehe der Kaiser es verboten hat”, sagte Tain ihr kalt. “Aber nicht mit
dieser
Art von Zeichen.” Er sah sie an, als hätte sie ihren halben Verstand verloren. “Es ist
sein
Zeichen. Nicht nur ein Siegel des Besitzes, nicht nur ein bindendes Zeichen, und offensichtlich”, fügte er mit leichtem Ekel hinzu, “auch keine Versklavung. Nicht richtig. Teela –”
“Ich dachte, es wäre sicherer, wenn sie möglichst wenig weiß. Sie hat menschliches Temperament.” Sie schwieg einen Moment. “Und sie ist noch nie an den Hof der Barrani berufen worden. Wie gut stehen die Chancen?”
Er öffnete den Mund und schloss ihn langsam wieder. “Du hast wahrscheinlich recht.” Da er mehr Ausdruck in seinen Zügen zeigte als jemals zuvor, war Kaylin besorgt. Und genervt.
“Wenn ich mehr wüsste, könnte ich –”
“Könntest du was?” Die Worte waren sehr, sehr kalt. Sie hatte den Verdacht, dass sie unter den Gefrierpunkt fallen würden, wenn sie Nightshade erwähnte, also hielt sie den Mund.
Sie hatte keine Gelegenheit, sich auszulassen, und wahrscheinlich war das gut so. Teela und Tain waren meistens fast menschlich, aber sie konnten verdammt nachtragend sein, und das wegen den kleinsten Dingen.
“Du hast Lord Evarrim getroffen?”
“Bei der Vereinigung der Kaufleute.”
“Was zum Henker wollte er dort?”
Kaylin blickte zu Teela, und Teela zuckte mit den Schultern. “Ich hatte dieses Gespräch bereits”, fügte sie hinzu. “Ich weiß nicht, warum er dort war.”
“Wusste er bereits von dem Zeichen?” Tain hatte sich beruhigt. Nicht so, wie normale Leute das taten, seine Ruhe senkte sich eher ohne Warnung hinab, wie ein
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