Kehraus fuer eine Leiche
erholt hat. Hoffentlich.
Freitagmorgen
»Steffen Meier, neunundzwanzig Jahre alt, gemeldet in Köln, zu Lebzeiten sehr schnuckelig, daher Gelegenheitsjob als Model, ansonsten Hartz IV, vor etwa drei Tagen in Belgien bei Eiterbach erstochen«, fasst Hein die Erkenntnisse zusammen, die ich soeben vor meinen Freunden ausgebreitet habe.
Wenigstens diese dürren Details hat mir Marcel gestern Abend noch mitgeteilt. Nachdem mich Polizeiinspektor Hannen mit freundlicher Genehmigung der Euskirchener Polizei in meinem NRW-Restaurant befragt hatte. Der wollte allerdings nur wissen, ob ich diesen Steffen Meier gefahren oder meinen Pkw vor vier Tagen an jemanden verliehen hätte. Beides konnte ich guten Gewissens verneinen, allerdings gestand ich, manchmal zu vergessen, den Wagen abzuschließen und den Zündschlüssel herauszuziehen. Da mir die exorbitanten belgischen Geldstrafen für Verkehrsvergehen bekannt sind, rechnete ich mit einer saftigen Buße und zückte bereits mein Portemonnaie.
»Lassen Sie nur stecken«, sagte Marcels Kollege und setzte hinzu: »Nur das Geld, aber bitte nie wieder den Schlüssel! Das könnte Sie bei einer zufälligen Kontrolle bis zu hundertfünfzig Euro kosten.«
»Puh«, seufzte ich erleichtert. »Vielen Dank, dass Sie mich jetzt ungeschoren davonkommen lassen!«
»Nicht aus der Güte meines Herzens oder weil Sie Marcels Freundin sind«, erwiderte Hannen, »sondern nur, weil sich der Tatbestand des unabgeschlossenen Pkw bei einer Vernehmung in einer anderen Angelegenheit herausgestellt hat; da ist er straffrei.«
Natürlich wollen meine Freunde jetzt, am Morgen nach der Eröffnung, beim Wegfrühstücken der übriggebliebenen Häppchen alles von mir wissen.
Zunächst fällt es uns allerdings schwer, einander zu verstehen, da Linus, der den ganzen Abend allein in meinem Haus hatte verbringen müssen, lautstark Aufmerksamkeit einfordert. Wir stellen ihn also mit lässig hingeworfenen Stücken von Entenbrustpflaumen, thunfischgetränktem Kalbsfilet, Hühnerleberpastete im Kürbiskernmantel und Gorgonzolamango ruhig. Das tun wir besten Gewissens, weil Marcel nicht anwesend ist. Der lebt nämlich immer noch in dem Irrglauben, mein Hund könne erzogen werden, was damit anfange, dass man die Bestie mit hundegerechter Nahrung ausschließlich dann füttere, wenn der Mensch selbst bereits gegessen habe.
Immer wieder werfe ich einen verstohlenen Blick auf meine rechte Hand. Das einzahnige Krokodil ist über Nacht nicht verblasst. Es juckt aber nicht mehr. Die Haut ist ganz glatt.
»War dieser Steffen Meier eigentlich verheiratet?«, erkundigt sich Gudrun. »Und hat er Kinder hinterlassen?«
»Keine Ahnung«, antworte ich. »Der ganze hübsche Kerl würde uns nicht die Bohne interessieren, wenn er nicht hier auf der Kehr gewesen wäre und sich meine Autonummer notiert hätte.«
»Warum nur?«, fragt Jupp.
»Vielleicht ist er in dein Auto zu jemandem eingestiegen, dem er nicht getraut hat«, überlegt Gudrun.
»Warum sollte er dann überhaupt bei dem einsteigen?«, frage ich.
»Weil er hier sonst nicht wegkommt«, wirft Jupp trocken ein.
»Vielleicht ist er auch selbst gefahren …«
»… und sein Mörder hat mein Auto wieder fein ordentlich bei mir vor die Tür gestellt?«, gebe ich kopfschüttelnd zurück. »Das ergibt nur einen Sinn, wenn …«
Ich breche ab. Es darf einfach nicht so weit kommen, dass ich schon wieder meine Freunde verdächtige. Wir alle benutzen meinen Wagen, der ständig unverschlossen vor der Einkehr steht, immer mit dem Schlüssel im Zündschloss, damit eben jeder jederzeit ran kann. Was ich Herrn Hannen gegenüber tunlichst nicht erwähnt habe.
Das uralte schäbige Fahrzeug würde nicht einmal in der Großstadt einen Autodieb anlocken und schon gar nicht auf der Kehr, wo unsere Haustüren nachts nicht abgeschlossen sind und tagsüber oft sperrangelweit offen stehen. Um Luft und Nachbarn reinzulassen. Eine Frau aus der Kehrer Coujon-Gruppe lässt manchmal sogar ihre Handtasche auf dem Beifahrersitz ihres unverschlossenen Wagens liegen. Dieser Gewohnheit entsagte sie auch nicht, nachdem sie eines Morgens eine fremde Herrenjacke auf ihrem Rücksitz entdeckt hatte. Das Kleidungsstück konnte später einem Hallschlager zugeordnet werden, der des Nachts in schwer alkoholisiertem Zustand bei der Suche nach seinem Zuhause aus Versehen auf die Kehr gewandert war. Verirrt und verwirrt war er dankbar für den geräumigen Mercedes, auf dessen Rückbank er seinen Rausch
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