Kehraus fuer eine Leiche
und doch gibt es einen Unterschied: Während Pia wie die reine Demut auftritt, habe ich bei der Begrüßung in Pattis Augen einen Glanz gesehen, den ich als eine Art von Aufmüpfigkeit interpretiere. Zweifellos hat Herr Pee seine Familie besser im Griff als den Bauernhof, mit dem er pleitegegangen ist. Wahrscheinlich lässt er den Frust über sein Scheitern mit großer Strenge an seinen Töchtern und vielleicht auch an seiner Frau aus.
Es juckt mich in den Fingern, Professor Higgins zu spielen und die Betreuerinnen der Gnadenhühner unter meine Fittiche zu nehmen. Sobald mein Laden läuft, wäre es eine schöne Abwechslung im dann gleichförmig verlaufenden Eifeler Alltag, diesen Mädchen zu zeigen, welch ein Potenzial in ihnen steckt, und sie in moderne junge Frauen zu verwandeln, denen die Welt offensteht.
Im Raucherzimmer zündet sich Herr Pee gleich eine Zigarette an.
»Es gibt keine Rauchpflicht«, versuche ich mich an einem Scherz, während er die frisch gewaschenen Gardinen lupft und hinaussieht.
»Ich nehme diesen Tisch«, sagt er. »Für Treffen mit potenziellen Geschäftsfreunden. Geht das?«
»Selbstverständlich«, antworte ich erfreut. Herr Pee ist mir gleich viel sympathischer. »An welchen Tagen?«
»Das kann ich jetzt noch nicht sagen. Ich bin dabei, den Gnadenhof weiter auszubauen. Außerdem möchte ich mir von den Leuten, die sich für unsere Tiere interessieren, erst einmal auf neutralem Boden ein Bild machen, bevor ich sie auf unseren Hof lasse. Sie wissen ja, was sich hinter manchen sogenannten Tierfreunden verbirgt.«
Keine Ahnung, was er damit sagen will – schließlich betreibt er keine Farm, in der Nerze für die Pelzindustrie gemästet werden. Aber was verstehe ich schon von den Problemen eines Gnadenhofs? Herr Pee ist der erste Stammgast. Da braucht mich sein Geschäftsgebaren nicht zu interessieren. Hauptsache, er kommt ins Restaurant, bestellt ordentlich und behandelt meine Hühner gut. Deren Eier ich gleich morgen früh bezahlen werde.
Als ich in den Gastraum zurückkehre, sehe ich zu meiner Freude sechs Frauen von der Kehr. Sie stehen etwas unschlüssig am Buffet.
»Sieht sehr interessant aus«, sagt die Nachbarin aus Belgien, nimmt sich eine trockene Scheibe Baguette und starrt auf das Schälchen mit einer meiner kulinarischen Lieblingskombinationen.
»Da ist eine Frage …«, setzt sie an.
»Avocado-Birnen-Mousse mit Radieschenkresse und gerösteten Pinienkernen«, komme ich ihr schnell zuvor und reiche ihr einen Teller.
»Ah joh«, sagt die Belgierin und gibt den Teller an die Rheinland-Pfälzerin neben sich weiter. »Die Frage ist, ob wir bei Euch auch karten dürfen? Wir treffen uns ja einmal in der Woche zum Länderspiel …«
Damit ruft sie mir wieder ins Gedächtnis, wie international unsere winzige Ortschaft ist. Auf der Kehr mit ihren etwa dreißig Häusern treffen nämlich Belgien, Rheinland-Pfalz und NRW aufeinander. Was immer wieder für ein von oben verordnetes Durcheinander sorgt. Lokalpolitiker lassen sich vor den Wahlen hier nie blicken, weil die Peinlichkeit groß sein könnte, bei einem Haus anzuklingeln, das zu einem anderen Bundesland gehört oder gar schon im Ausland steht. Auch ich brauchte eine Weile, um zu begreifen, dass Hein und Jupp in NRW leben und Gudruns altes Anwesen in Rheinland-Pfalz liegt, obwohl ich selbst in Belgien wohne und fünfzehn Meter weiter ein Restaurant am südlichsten Zipfel von NRW betreibe.
Ich sollte das inoffizielle Coujon-Turnier, das die ansässige weibliche Bevölkerung jetzt aus den jeweiligen Privathäusern in mein Lokal verlagern will, zu einer positiven Begleiterscheinung dieses Dreiländereckchens rechnen.
Im Laufe der nächsten Stunden beginnt sich das Lokal langsam, aber stetig zu füllen. Sogar zwei uniformierte Polizeibeamte aus Euskirchen sind gekommen und unterhalten sich in einer Ecke längere Zeit angeregt mit Marcel. Wie nett von ihm, bei der deutschen Polizei für die Einkehr zu werben! Er stellt mir die beiden Männer vor, wie auch seinen belgischen Kollegen Polizeiinspektor Erwin Hannen, der natürlich in Zivil erschienen ist. Der verschmitzt lächelnde Mann in meinem Alter ist mir sofort sympathisch. Was vielleicht damit zu tun hat, dass er – im Gegensatz zu seinen wenig hungrig wirkenden deutschen Kollegen – einen Teller mit ausgesuchten Häppchen vollgeladen hat und jeden Bissen mit einem »Ah, wie lecker« begleitet. Die Belgier verstehen eben etwas von richtig guter Küche.
»Erwin hat
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