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Kehraus fuer eine Leiche

Kehraus fuer eine Leiche

Titel: Kehraus fuer eine Leiche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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Grundstücken immer noch ausgegraben werden. Keiner von uns Anwohnern war eingeladen worden, als das Land Rheinland-Pfalz bei einer Feier in Hallschlag vor Kurzem großspurig verkündet hatte, die Sanierung sei erfolgreich abgeschlossen. Wir hätten das Fest ja mit der ketzerischen Bemerkung stören können, dass wir den Kampfmittelräumdienst weiterhin bei seiner Arbeit beobachten. Eine ans Verbotsgelände angrenzende Weihnachtsbaumplantage wurde gerade erst nach bösen Altlasten abgesucht, der weiße Kastenwagen der Leitstelle gondelt immer noch in der Gegend herum oder steht da, wo jetzt ein fremder Geländewagen parkt. Der wird schon harmlos sein, denke ich; jemand mit bösen Absichten wäre nicht so dreist, sein Fahrzeug direkt auf dem Gelände des Kampfmittelräumdienstes abzustellen.
    Vor Gudruns ehemaligem Hof weist nur ein großer Hundezwinger darauf hin, dass hier kein normaler Eifeler Bauernhof betrieben wird. Es gibt kein Schild, keine Beschriftung, auch nicht eine Hausnummer. Marketingtechnisch eine Katastrophe, denke ich, als ich unter lautem Gebell auf die Haustür zugehe, an der nicht einmal der Name Prönsfeldt steht. Einen Gnadenhof im Verborgenen zu führen, grenzt an unternehmerischen Selbstmord. Wie will Herr Pee denn Paten für seine Tiere finden?
    »Im Internet, natürlich«, sagt Patti, als sie mir die Haustür öffnet und ich sie gleich mit der Frage überfalle, woher sie denn Interessenten für die Tiere auftreiben wollen, wenn nirgendwo auf den Gnadenhof hingewiesen wird.
    Im Internet also. Natürlich. Die Kehr liegt zwar weit hinter Köln oder Trier, aber nicht hinterm Mond.
    »Per E-Mail sortiert mein Vater die Leute schon mal vor«, sagt sie mit so unbeteiligter Stimme, als ginge sie der Gnadenhof überhaupt nichts an. Eine solche Einstellung zum elterlichen Hof kenne ich von Hein und manch anderen Sprösslingen aus Bauernfamilien. Wenn sie den Betrieb selbst nicht weiterführen, verbindet sie zumeist eine herzliche Abneigung zur Landwirtschaft mit allen dazugehörigen Elementen.
    »So viele Leute melden sich an?«, frage ich ungläubig und schüttele die Regentropfen ab.
    Sie hebt die Schultern, öffnet die Haustür weiter und nickt hinein. »Da müssen Sie ihn schon selbst fragen.«
    »Du sollst die Tür nicht öffnen, Patrizia!«, höre ich ihren Vater im Eingeweide des Hauses schimpfen. »Ach, Sie sind’s, Frau Klein«, sagt die sonore Stimme erheblich freundlicher. »Kommen Sie doch rein. Ich habe Ihre Patenschaftsurkunde bereits vorbereitet. Sie können sich natürlich auch erst die Tiere ansehen.«
    »Das wäre schön«, sage ich, trete in die halbdunkle große Diele, in der ich vor zwei Jahren niedergeschlagen worden bin. Rasch gehe ich auf Herrn Pee zu, dessen Silhouette sich im Türrahmen von Gudruns früherem Wohnzimmer abhebt. Ich reiche dem langen hageren Mann die Hand.
    »Huhn im Sack will ich ab jetzt ja nicht mehr kaufen«, sage ich und hole tief Luft, als er zur Seite tritt, um mich durchzulassen.
    Der Raum sieht noch genauso aus wie zu Gudruns Zeiten. Kein einziges Möbelstück ist herausgenommen worden, keins hinzugekommen; an den Wänden hängen noch die alten Ölbilder, und auf dem Kaminsims steht unverändert derselbe Nippes.
    Ist Gudruns gesamter Hausrat mit in den Pachtvertrag eingeflossen? Sind die Einrichtungsgegenstände der Familie Pee etwa auch zwangsversteigert worden? Woher stammt das Geld für die Tiere vom Gnadenhof? Wie können diese ernährt werden, wenn nicht einmal genug Kohle für eine neue Tapete drin ist?
    »Hier drinnen hat sich ja nichts verändert«, sage ich prompt.
    »Gutes und Bewährtes sollte man nicht verändern«, stellt Herr Pee fest und reicht mir einen Bogen Papier, den ich unterschreiben soll. »Lesen Sie alles in Ruhe durch«, sagt er und deutet auf einen wuchtigen grünen Sessel im gediegenen Eichenrahmen.
    »Wie mir die Pia sagte, möchten Sie die Patenschaft für zwanzig Hühner übernehmen?«
    Ich bleibe stehen.
    »Und jedes kann jeden Tag wirklich ein Ei liefern?«, frage ich zurück.
    »Selbstverständlich erhalten Sie täglich zwanzig Eier«, antwortet er, »allerdings kann bei unserer ökologischen und tierschutzgerechten Haltung nicht immer zurückverfolgt werden, von welchen Hühnern sie stammen. Nicht jedes Huhn legt jeden Tag ein Ei. Schon gar nicht die einstigen Batterie-Hühner. Frau Klein, wenn Sie wüssten, in welchem Zustand wir diese armen Tiere erhalten haben …«
    Er tritt ans Fenster, gegen das der Regen jetzt

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