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Kehraus fuer eine Leiche

Kehraus fuer eine Leiche

Titel: Kehraus fuer eine Leiche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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wie mein Hund, der immer wieder den riesigen Kopf zurückwendet, um sicherzugehen, dass ich ihm auch ja folge. Er weiß, wie ungern ich mich schnell bewege.
    »David! David!«
    Gudrun stolpert mir mit gelösten klatschnassen Haaren ohne Mantel oder Schirm in ihren Hausschlappen aus Frottee entgegen. Das Kleid klebt ihr am Körper. Als wir vor dem offenen Tor des Kampfmittelräumdienstes zusammentreffen, steht Linus schon laut hechelnd vor der Baracke und kratzt an dem großen Glasfenster der Front. Der fremde Geländewagen ist weg.
    »Eingang ist hinten«, sagt Gudrun atemlos und rennt mir voraus. Sie stößt die Tür zu einem nachlässig mit Holzdielen belegten Flur auf. Wie ein schwarzer Kugelblitz schießt Linus hindurch und biegt sofort nach links in einen Raum ab. Gudrun und ich folgen ihm in ein sehr karg eingerichtetes Büro. Der einzige Mensch im Raum sitzt weder vor dem altmodischen Computer, noch hält er das angebissene Käsebrötchen auf dem Schreibtisch in der Hand. Er liegt mit einer gewaltigen Kopfwunde auf dem Linoleum.

6_STÖRUNGEN
Freitagmittag
    Gudruns Schrei hätte einen Toten geweckt, aber David ist nicht tot. Sein Brustkorb hebt und senkt sich, wenn auch nicht annähernd so schnell wie der von Linus, der sich fiepend neben ihm ausgestreckt hat.
    »David!«
    Gudrun will sich auf ihn stürzen, aber ich halte sie fest. »Wir dürfen ihn nicht berühren!«
    »Quatsch!«, sagt Gudrun und stößt mich mit solcher Wucht zur Seite, dass ich bis zum Fenster zu fliegen meine. Diese Demonstration von Kraft macht mich fassungslos. So hat zuvor noch niemand mein Lebendgewicht herausgefordert, schon gar nicht eine schmale Frau. Während Gudrun ihre durchweichten Pantoffeln unter Davids Kopf schiebt und mit dem Saum ihres Kleides das Blut aus seinem Gesicht wischt, rappele ich mich auf und tippe hastig die Nummer des Notrufs in mein Handy ein.

Stunden später
    David liegt mit einer schweren Kopfverletzung im Krankenhaus in Trier. Er ist in ein künstliches Koma versetzt worden, aber die Ärzte sind voller Hoffnung, dass er durchkommen wird, wie mir Gudrun am Telefon berichtet. Sie hat sich in einer Pension nahe dem Krankenhaus eingemietet, um bei ihm zu sein, wenn er wieder aufwacht.
    »Es muss so etwas wie ein Baseballschläger gewesen sein, meinen die Ärzte«, sagt sie. »Warum? David hat doch niemandem was getan! Wer macht denn so etwas?«
    »Jedenfalls nicht die Männer vom Kampfmittelräumdienst«, antworte ich trocken und werfe einen Blick in den Gastraum, wo die beiden Delaborierungsexperten gerade Rühreier mit Speck verputzen und den Schreck des Tages mit Eifeler Hausbrand verdauen.
    »Sag mir Bescheid, wenn es etwas Neues gibt«, sage ich, um das Gespräch mit Gudrun zu beenden und das mit den Kampfmittelräumern aufzunehmen.
    »Es gibt etwas Neues«, setzt sie hastig nach. »Davids Mutter kommt übermorgen.«
    »Oh.«
    Mehr kann ich zu dieser Eröffnung zunächst nicht sagen, da mir tausenderlei durch den Kopf geht. Mathilde Quirk, geborene Rescheid, rechtmäßige Erbin des heutigen Gnadenhofs, kehrt zum ersten Mal in das Land zurück, das ihr beide Eltern und die Heimat auf grausame Weise genommen hat. Und in dem ihr Sohn heute so zusammengeschlagen worden ist, dass er in Lebensgefahr schwebt.
    »Ich habe ihr bei Balter ein Zimmer gebucht«, fährt Gudrun fort.
    »Viel zu nah«, unterbreche ich, »mach das rückgängig und bring sie im Schlosshotel Kronenburg unter. Da wird sie nichts an früher erinnern. Wir telefonieren später. Ich habe zu tun.«
    »Das ist gut, Katja. Wie viele Gäste?«
    »Genug«, entgegne ich knapp, lege auf und gehe zu den beiden einzigen Gästen des Tages, die mit Jupp und Hein bereits in eine angeregte Unterhaltung vertieft sind.
    »Wir überlegen gerade, ob der Angriff mit dem Tod von Steffen Meier zusammenhängt«, sagt Jupp, als ich mir einen Stuhl heranschiebe.
    »Nur weil der Geländewagen auch aus Köln kommt?«, wehre ich ab. »Davon rauschen hier doch genug durch die Gegend. Außerdem ist Steffen Meier in Belgien ermordet worden, und da war möglicherweise ein ganz anderes Auto als ein Kölner SUV im Spiel … Wo zum Teufel bleibt bloß Marcel? Nein, das in der Baracke waren bestimmt irgendwelche Ganoven, die an die Granaten ranwollten.«
    »Die verwahren wir doch nicht im Büro«, erklärt der ältere Kampfmittelräumer empört.
    Sein Kollege schüttelt unablässig den Kopf.
    »Sie können sich gar nicht vorstellen, was uns alles durch den Kopf ging, Frau

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