Kehraus fuer eine Leiche
das?«, fragt er misstrauisch.
»Schweinefleisch«, antworte ich ausweichend.
»Schon schlecht«, sagt Daniel und wühlt mit dem Kochlöffel im Topf herum. »Da sind ja Rosinen drin«, ruft er entsetzt. »Und Zwiebeln. Wollen Sie Ihren Hund umbringen? Haben Sie für ihn nichts Richtiges?«
»Er frisst alles und ist nie krank.«
»Das würden Sie wahrscheinlich nicht einmal merken«, sagt der Knabe mit unverhohlener Feindseligkeit.
Stumm ziehe ich aus dem Regal das Argument, mit dem Marcel seine Predigten über gute Karnivorenküche ersetzt hat. Ich knalle die Dose Hundefutter auf die Edelstahltheke und wende mich wieder Regine Seifenbach zu.
»Woher kennen Sie David?«
»Seit wann ist er wieder hier?«
So kommen wir nicht weiter.
Während Daniel meinem Hund den Fressnapf füllt, stelle ich drei Tassen Kaffee auf ein Tablett, lege ein paar Brownie-Schnitten dazu, trage das Ganze in den Gastraum und setze mich hin.
Die Frau folgt mir und hockt sich auf die Stuhlkante mir gegenüber. Sie deutet sofort auf die feuchten Schokoladenquadrate. »Die hat David gemacht.«
»Stimmt. Und jetzt schlage ich vor, dass wir uns vernünftig unterhalten, Frau Seifenbach. Ihre Geschichte ist älter, also fangen am besten Sie an zu erzählen. Zum Beispiel von den ersten Brownies, die David für Sie gebacken hat, als er noch im Dienste der US-Army war. Danach verrate ich Ihnen alles, was Sie wissen möchten.«
Regine Seifenbach starrt an mir vorbei an die Wand. Jupps künstlerisch wertvolle Landschaftsfotos spiegeln sich zwar in ihren tiefblauen schwarz geränderten Augen, erreichen aber wohl kaum ihr Bewusstsein. Das ist mit der schweren Aufgabe beschäftigt, die Vergangenheit zu formulieren.
Geräuschvoll zieht Daniel den Stuhl neben mir weg, ehe er sich darauf hinfläzt. Mein käuflicher Hund entscheidet sich für einen Platz zu Füßen seines jüngsten Fütterers.
Ich trinke meinen Kaffee und warte. Schließlich quält sich ein Seufzer aus Regine Seifenbachs Brust. Sie wendet sich an ihren Sohn.
»Zeig ihr das Bild«, sagt sie tonlos.
Daniel greift in seine Hemdtasche, holt ein laminiertes Foto hervor und hält es mir hin. Als ich es anfassen will, zieht er die Hand zurück. Wer seinen Hund so übel füttert, behandelt alles Wichtige schlecht, sagt sein Blick.
»Schon gut«, bemerke ich. »In meinem Alter werden die eigenen Arme für die Augen sowieso zu kurz.«
Vor dem Hintergrund der Prümer Basilika, genauer gesagt der Statue Karls des Großen, strahlt mir ein junger David entgegen. Die Lachfältchen sind zwar noch aufgefüllt, die Stoppelhaare kohlschwarz und die Vorderzähne keinem amerikanischen Regelmäßigkeitswahn geopfert, aber jeder Zweifel schwindet. Auch der an Davids Vaterschaft, denke ich, als ich den hageren Jungen mit dem schwarzen Seeigelhaar und den gegeneinander kämpfenden Schneidezähnen genauer mustere. Seltsam, dass mir die Ähnlichkeit nicht sofort ins Auge gestochen ist.
Jetzt beginnt Regine Seifenbach zu erzählen. Sie wohne in Prüm, sagt sie, und habe David dort vor zwanzig Jahren kennengelernt. Offiziell habe er damals als einfacher Soldat in der Radarstation am Schwarzen Mann bei Prüm gearbeitet, in Wirklichkeit aber wichtigere und streng geheime Aufgaben innegehabt. So etwas habe er allerdings nur angedeutet. Um sie nicht zu gefährden, habe er nie von seiner tatsächlichen Arbeit sprechen dürfen. Aber da die für die Zivilbevölkerung streng abgeriegelte Abhörstation mitten im Schneifelwald schon geheimnisvoll genug gewesen sei, habe sie sich sehr wohl ihre Gedanken dazu gemacht. Wie ich soeben ja auch schon. Besuchen habe sie ihn dort nie dürfen.
»Angeblich wurden da ja nur Wetterdaten gesammelt«, sagt Regine Seifenbach. »Und deshalb waren da zeitweise tausend Soldaten stationiert? Für wie doof hält man uns eigentlich? Natürlich war das ein Nest von Spionen!«
»Glauben Sie etwa, David gehörte dazu?«
»Wären Sie denn nicht auf diesen Gedanken gekommen?«, fragt sie zurück. Anfang der Neunzigerjahre sei er verschwunden. Noch bevor sie Gelegenheit gehabt habe, ihm die Botschaft künftiger Vaterfreuden zu übermitteln.
»Däniel« – jetzt spricht sie den Namen amerikanisch aus, »kennt seinen Vater also nur von diesem einen Bild. Das habe ich heimlich aufgeholt; er hat sich nie fotografieren lassen. Passt doch ins Bild, finden Sie nicht?«
Es passt jedenfalls zu David, wie ich ihn heute kenne. Er lässt sich immer noch nicht fotografieren. Was völlig in Ordnung
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