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Kehraus fuer eine Leiche

Kehraus fuer eine Leiche

Titel: Kehraus fuer eine Leiche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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deinen Vater niedergeschlagen hast. Ein Recht dazu hättest du, aber du warst es nicht.«
    Sie erhebt sich würdevoll, streicht sich eine leuchtende Haarsträhne aus dem sorgfältig geschminkten fein geschnittenen Gesicht und sagt mit formvollendeter Höflichkeit: »Ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn Sie mir sagen würden, in welchem Krankenhaus der David liegt. Dann werden wir Sie nicht weiter belästigen.«
    »Daniel kann es nicht gewesen sein, Frau Seifenbach«, beruhige ich sie und mich selbst. »Die Schule ist ein wunderbares Alibi. Es ist am Vormittag passiert.«
    »Deswegen war später da oben so viel Betrieb«, sagt Daniel. »Ich dachte, da sind Autos zusammengeknallt, wegen der Polizei und so.«
    Autos.
    »Ist dir vielleicht irgendwann mal ein grauer oder grüner Geländewagen mit Kölner Nummernschild beim Kampfmittelräumdienst aufgefallen, so eine Angeberkutsche?«, frage ich den Jungen.
    »Kampfmittel … was? Was ist das denn?«
    Ich erkläre es ihm. Er kommt bei jedem Besuch auf dem Gnadenhof daran vorbei und hat sich nie über die trostlose Baracke mitten in der Landschaft gewundert? Sie nie wahrgenommen? Augen zu haben, bedeutet offenbar nicht unbedingt, auch sehen oder gar hinsehen zu können. Die Erfahrung habe ich selbst ja auch gemacht: Wiewohl ich hinsichtlich fremder Autos in dieser Gegend sensibilisiert worden bin, kann ich den ominösen Geländewagen nicht genau beschreiben. Dessen Besitzer möglicherweise an Davids beklagenswerter Verfassung schuld ist.
    Das Telefon in der Küche klingelt.
    Mit einer Entschuldigung, der Bitte, noch einen Augenblick zu warten, und dem Reservierungsbuch in der Hand eile ich an die Küchentheke. Ich vergesse David sowie seinen neuen alten Anhang nebenan und tue das, was mir Jupp geraten hat: Ich schicke ein Stoßgebet zu Sankt Balthasar, dem Schutzheiligen des Gastgewerbes, auf dass endlich jemand eine Hochzeit bei mir feiern oder sich zumindest eine größere Gesellschaft auf meine kulinarischen Köstlichkeiten stürzen will.
    Heute ist schließlich Samstag. Da macht sich der Eifeler fein und geht aus, hatten mir Hein und Gudrun versichert. Wäre es nach ihnen gegangen, hätten wir das Restaurant heute und nicht mitten in der Woche eröffnet. Ich hingegen hatte mir das Wochenendgeschäft nicht mit einem Sonderangebot vermiesen lassen wollen. Geglaubt, die Leute würden am Donnerstag gewissermaßen reinschmecken und sich dann um die Tischreservierung für Samstag reißen.
    Da war mein Eifeler Personal erheblich realistischer.
    Der Anruf hebt meine Stimmung. Eine Hallschlagerin reserviert einen Tisch für neun Personen.
    Während ich den Namen notiere, höre ich einen Wagen in den Hof einfahren, schaue aus dem Fenster und bin sehr erstaunt, dass nicht nur Jupp und Hein aussteigen, sondern sich auch Gudrun aus dem schmalen Rücksitz von Heins Roter Zora schält. Offensichtlich kommt das Trio aus Trier. Wie hat sich Gudrun von Davids komatöser Seite entfernen lassen?
    Nicht freiwillig, höre ich. Sie hat ihn nicht einmal sehen dürfen.
    Sie schäumt noch, als sie den Gastraum betritt.
    »Weil ich keine Angehörige bin!«, schreit sie mich an. »Dabei hat David doch gar keine Angehörigen hier!«
    »Das ist so nicht ganz richtig«, sage ich leise und blicke vielsagend auf Mutter und Sohn.
    Gudrun sieht mich an, als hätte ich den Verstand verloren. Jupp seufzt. Hein erfasst sofort die Lage.
    »Schau an, ein David mit jugendlichen Attributen!«, ruft er erstaunt und erheitert.
    »Ja, das ist Davids verlorener Sohn. Er heißt Daniel. Und das ist seine Mutter, Frau Seifenbach«, stelle ich die beiden vor. »Frau Seifenbach, das sind meine Mitarbeiter, Frau Arndt, Herr Esch und Herr Mertes.«
    Wie sehr Namen als Schall und Rauch verpuffen können, ist mir nie so deutlich gewesen wie gerade jetzt. Niemand hört zu, niemand ergreift die Hand eines anderen. Gudruns Gesicht hat die aschfahle Farbe ihres Haars angenommen.
    »Du?«, flüstert sie und starrt Regine Seifenbach an.
    Dieser entgeht das sich anbahnende Drama völlig. Sie ist nur mit ihrer eigenen Geschichte beschäftigt. Ich hingegen schlage mir vor die Stirn und sende Hein einen verzweifelten Blick zu. Wie Daniel und Pia sind auch Gudrun und Regine in einem ähnlichen Alter und einst wahrscheinlich auch in Prüm zusammen zur Schule gegangen. Ich lebe auf dem Land. Da kennt man sich.
    »Hallo Gudrun«, sagt Regine Seifenbach, und zum ersten Mal zeigt sich ein Lächeln in ihrem Gesicht. »Stell dir vor, ich

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