Kehraus fuer eine Leiche
habe endlich den Vater meines Sohnes gefunden!«
»David«, bringt Gudrun mit erstickter Stimme hervor.
»Er ist wieder hier, Gudrun! Warum hast du mir das nicht gesagt?«
»Doch nicht mein David!«
» Dein David?«
Das bedeutungsschwangere Schweigen nach den letzten beiden Worten Regines ist unerträglich. Jupp tut das einzig Vernünftige und zieht sich in die Küche zurück, wo er hoffentlich das durchhängende Regal für die Töpfe frischer Kräuter stabilisieren wird. Hein hingegen gönnt sich einen Logenplatz in der ersten Reihe. Ich kenne ihn. Den ersten Akt des drohenden Krieges der Eifeler Amazonen will er keinesfalls verpassen. Ich knuffe ihn in die Seite.
»Komm, wir lassen die beiden jetzt lieber allein«, sage ich. »Was sie sich zu erzählen haben, geht uns nichts an. Du fährst Daniel und mich zum Gnadenhof.«
Ich erwarte Widerspruch. Nicht nur von Hein. Daniel macht nicht den Eindruck, als ließe er einfach über sich hinwegbestimmen. Doch der zuvor noch so aufsässig wirkende Junge nickt zustimmend. Erwartungsfrohes Glimmen tritt in seine Augen. Ist es die Aussicht, Pia zu sehen, oder die, seine Hunde zu streicheln? Oder gar umgekehrt?
»Wir bleiben nicht lange. Daniel besucht seine Patenhunde, und ich muss meine Eier holen.«
»Die werden dir doch gebracht«, antwortet Hein, widerwillig aufstehend. Er weiß, wer hier die Chefin ist. Und ich nutze das schamlos aus.
»Jupp, häng bitte endlich das Schild draußen gerade hin!«, rufe ich in die Küche, aus der ich es hämmern höre. »Bevor es wieder anfängt zu regnen!«
Gudrun raune ich aufmunternd zu: »Wir haben heute Abend einen Tisch für neun Personen!«
»Neun Personen«, wiederholt sie mit so verzagter Stimme, als habe David sie gerade mit ebenso vielen Personen betrogen.
Es ist nahezu unerträglich, wie Hein vor Neugierde auf der Fahrt zum Gnadenhof vibriert. Ich rechne ihm hoch an, dass er sich alle Fragen verkneift.
»Später«, vertröste ich ihn und nicke nach hinten, wo sich Daniel auf dem Rücksitzersatz des Sportwagens zusammengefaltet hat. »Schaut, wie schön der Nebel über dem Weiher da drüben hängt.«
Hein knurrt. »Ach was, kokelt da drüben jetzt auch eine Müllverbrennungsanlage?«
Wir fahren am Kampfmittelräumdienst vorbei. Ich mache den Jungen darauf aufmerksam und fasse die Geschichte des Verbotsgeländes zusammen. Auch für Hein, damit er sich der wahren Gefahren unseres Umfelds mal wieder bewusst wird.
»Eine ganz böse Sache«, sagt Daniel, als wir gleich darauf am Gnadenhof ankommen. Er blickt unverwandt auf die graue Fassade des Hauses, als sei er mit den Gedanken im Inneren desselben und habe meine Geschichte überhaupt nicht aufgenommen.
»Wie meinst du das?«, hake ich nach.
»Na, was Menschen einander antun«, erwidert er. »Und den Tieren. Mit dem Giftgas und so.«
Er hat also doch zugehört. Ich widme mich der Aufgabe des Aussteigens aus einem mir unbekömmlichen Gefährt.
»Muss ich da mit rein?«, fragt Hein. »Du weißt doch, dass ich alles, was mit Landwirtschaft zu tun hat, gespenstisch finde.«
In dieses Wort hat er seine Abneigung noch nie gekleidet, aber es entspricht dem Eindruck, den das Gehöft macht. Mir war das Haus schon immer unheimlich. Das hängt womöglich mit den Erfahrungen zusammen, die ich darin und drum herum gemacht habe. Vielleicht würde ein Anstrich schon helfen, das Anwesen weniger abweisend wirken zu lassen. Ein offenes Fenster, das Luft hineinließe, sicher auch. Eine helle Gardine, die in der Frühlingsluft tanzt, ein Blumentopf am Eingang oder ein Kräuterbeet statt des Morasts neben dem Zwinger. Hier könnte ich sogar für einen Gartenzwerg mit Schubkarre oder eine Miniatur-Windmühle plädieren. Für alles, was dieser geballten Trostlosigkeit entgegenwirkt und darauf hinweist, dass hier Menschen zu Hause sind.
Wütendes Gebell begrüßt uns. Daniel springt auf den riesigen Käfig zu. Geschickt und unbekümmert öffnet er das Gatter. Mir bleibt das Herz fast stehen, als der Junge zu den Hunden hineinhuscht. Zwar sieht keines der Tiere ganz so zum Fürchten aus wie mein Linus, aber in der Meute wirken sie erschreckend.
»Bist du wahnsinnig!«, schreit ihn Hein an.
Daniel beachtet uns nicht. Die Hunde machen freundlichere Geräusche, wedeln mit den Schwänzen, scharen sich um ihn, springen an ihm hoch und lecken ihn ab.
»Bluko«, höre ich eine ruhige Stimme zwischen den vielfarbigen lang- und kurzhaarigen Fellen, »Henriette, Herr Müller, Janis, Pipo,
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