Kehraus fuer eine Leiche
flackern wahrscheinlich meine Augen.
»Nur unser Pfau«, beruhigt mich Patti. Ich höre auf zu zittern und nicke beschämt. Stimmt. Solch grausame Laute hört man auch auf der Berliner Pfaueninsel.
Das Federvieh, das mich aus dem Gleichgewicht gebracht hat, scheint Patti das ihre zurückgegeben zu haben.
»Sind Sie mit Ihrem Auto hier?«
In der schlichten und sachlich vorgebrachten Frage schwingt ein seltsamer Unterton mit. Etwas bemüht Beiläufiges. Etwas Lauerndes. Als könne ihr die Antwort Aufschluss über eine Frage geben, die nichts mit meinem Transportmittel zum Gnadenhof zu tun hat. So ähnlich würde eine Ehefrau klingen, die ihrem Mann die scheinbar harmlose Frage stellt, ob er denn auch am nächsten Abend wieder länger im Büro zu arbeiten gedenke, obwohl sie argwöhnt, dass er zu seiner Geliebten geht.
»Nein, das ist immer noch bei der Polizei.«
Sie hat am Eröffnungsabend mitbekommen, mit welcher Dramatik es abtransportiert worden ist.
»Ach so«, sagt sie gleichmütig.
Ach so? Hier wäre die Frage nach dem Warum angebracht. Was hat mein Auto bei der Polizei verloren? Wegen eines Parkvergehens auf der Kehr würde mir keine Eifeler Autorität den hier so unerlässlichen Gegenstand länger als nötig vorenthalten. Jeder normale Mensch würde da nachhaken, besorgt fragen, weshalb man mir die Höchststrafe der Autolosigkeit aufbürde. Ein Mensch ohne Fahrzeug gilt in diesem Teil der Eifel als beinamputiert.
In der Zeitung stand nichts über meinen Wagen. Dort wurde bisher auch keine Verbindungslinie von dem Mord in Belgien zur Kehr gezogen. Mein Misstrauen wächst. Patti weiß etwas, da bin ich mir sicher. Sie hält sich bedeckt, scheint aber unauffällig die Lage sondieren zu wollen. Ich finde das ziemlich verdächtig, zumindest Grund genug, dem Mädchen etwas auf den Zahn zu fühlen.
Aber vielleicht höre ich auch nur die Flöhe husten.
Die gesamte aus dem Nichts aufgetauchte Familie Pee ist mir höchst suspekt. Der autoritäre Vater, die devote Mutter, die traumschönen aufs Verwelken programmierten Schwestern mit ihren Eiertabletts. Die beklemmende Atmosphäre des Gnadenhofs macht mir zu schaffen. Der Angriff auf David. Das Auftauchen von Regine Seifenbach und Daniel. Die Verzweiflung von Gudrun. Der Mord an diesem ominösen Steffen Meier. Das schlecht anlaufende Geschäft der Einkehr. Die mangelnde Aufmerksamkeit von Marcel.
Wahrscheinlich bin ich schon so gründlich in der Eifel angekommen, dass ich alles Missliebige, also zum Beispiel einen Mord in der Nachbarschaft, nur zu gern auf die fremden Neuankömmlinge projizieren möchte. Auf das undurchsichtige, neu eröffnete Familienunternehmen, das mit militärischem Drill geführt wird, quasi im Geheimen operiert und sich als Gnadenhof deklariert. Dabei sind die Leute wahrscheinlich nur mit sich und ihren Tieren beschäftigt.
Aber warum hat sich Patti nach meinem Auto erkundigt? Und dann keine Nachfrage gestellt? Sie meidet meinen Blick.
Ich wage einen Überraschungsangriff. Frage im gleichen Plauderton wie sie soeben: »Was denkst du eigentlich über diesen Mord, Patti?«
Die vertrauliche Anrede soll sie entwaffnen. Wovon, ist mir selbst noch nicht deutlich.
»Was für ein Mord?«
Sie klingt ehrlich erschrocken, aber es gibt mir zu denken, dass sie mir immer noch nicht in die Augen schaut.
»Der Mord, für den mein Auto verwendet wurde. Was weißt du darüber?«
»Nichts«, antwortet sie schnell, »gar nichts. Ein Mord! Das ist ja furchtbar! Ist jemand überfahren worden?«
»Nein. Erstochen. Von dem Menschen, der ihn in meinem Wagen weggeschafft hat; jedenfalls glaubt das die belgische Polizei.«
»Die belgische Polizei?«
»Ja. Der Mann wurde jenseits der Grenze ermordet. Mit dem Kopf im Eiterbach aufgefunden.«
»Klingt schrecklich.«
»Ist schrecklich.«
Eine kurze Pause. Wieder warte ich aufs Nachhaken. Wir belauern uns.
»Und?«, fragt sie schließlich, eine Spur zu locker. »Hat man schon was rausgefunden, die Polizei, meine ich?«
Ich reagiere sehr scharf: »Was meinst du denn, Patti, was die rausgefunden haben könnte?«
Patti wirft die Mistgabel ins Stroh und tritt auf mich zu.
»Hören Sie«, sagt sie, sieht mich mürrisch aus ihren schönen grauen Augen an und klingt plötzlich sehr energisch: »Ich weiß nicht, was Sie mir da unterstellen wollen, Frau Klein, aber ich habe keine Ahnung, was bei Ihnen oder mit Ihrem Auto passiert ist. Wenn da jemand ermordet worden ist, finde ich das grauenvoll, und für Sie
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