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Kehraus fuer eine Leiche

Kehraus fuer eine Leiche

Titel: Kehraus fuer eine Leiche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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Maggie.« Er beugt sich zu einem winzigen Hund hinunter. Der ist schneeweiß und hat schwarze Augenringe. Einen seiner Verwandten habe ich in einem Dokumentarfilm über tibetanische Tempelhunde gesehen. Die können einem Menschen aus dem Stand an die Gurgel springen. Daniels Hals ist dem Tier mit dem integrierten Trampolin beängstigend nah.
    »Hallo Püppi«, säuselt der Junge.
    Beeindruckt gehe ich zur Tür. Doch auf mein Läuten öffnet niemand.
    »Hallo!«, schreie ich, das Déjà-vu des Vorjahres verdrängend.
    »Gehen Sie hinten herum«, ruft mir Daniel zu. »Wenn der Herr Prönsfeldt nicht da ist, wird die Tür nicht aufgemacht.«
    Und wenn er da ist, dürfen die Mädchen nicht öffnen, fällt mir des Vaters Zurechtweisung bei meinem ersten Besuch ein.
    Zwei Hunde beginnen zu knurren. Es stört sie offensichtlich, dass Daniel ihnen seine Aufmerksamkeit entzieht.
    »Ich kann mir das nicht mit ansehen«, bemerkt Hein kopfschüttelnd und steigt wieder in den Wagen. »Lauft zu Fuß zurück.«
    Ich gehe auch wieder ans Auto, beuge mich zum Fahrerfenster hinab und bitte ihn, die beiden Frauen in der Einkehr ungestört reden zu lassen.
    »Jetzt pack doch endlich aus«, drängt er. »Wie kann der David in Texas der Frau in Prüm ein Kind gemacht haben?«
    Rasch erzähle ich die Geschichte.
    Hein bleibt der Mund offenstehen.
    »Ist ja ein Ding«, sagt er, »hättest du das dem David zugetraut? Die arme Gudrun, jetzt ist er nicht nur im Koma, sondern auch noch Bigamist.«
    »Und du kennst Regine Seifenbach wirklich nicht?«, frage ich misstrauisch.
    »Tolle Haarfarbe«, sagt er. »Perfekt. Sie muss mir unbedingt sagen, woher sie die hat. Meinst du nicht auch, dass mir so ein schrillfeiner Ton stehen würde?«
    »Du kennst sie also?«
    »Natürlich nicht! Woher denn? Sie wohnt in Prüm, also in Rheinland-Pfalz. Ich bin in Hellenthal in NRW zur Schule gegangen. Weißt du noch, in welchem Land mein Elternhaus, dein Restaurant, steht? Woher soll ich eine Frau aus Prüm kennen …«
    Ich hatte tatsächlich wieder vergessen, wie scharf die drei Staats- und Landesgrenzen zwischen den etwa dreißig Menschen, die auf der Kehr wohnen, gezogen sind. Man liest andere Zeitungen und hört ein anderes Radioprogramm. Wie das Wetter wird, erfahren die Belgier vom BRF, die Rheinland-Pfälzer vom SWR und die Nordrhein-Westfalen vom WDR. Wobei allen Bewohnern der Kehr eins ständig schmerzlich bewusst wird: Wenn in einem dieser Sender die Eifel als solche erwähnt wird, betrifft es nie unsere Gegend. In NRW meint man damit das beschauliche Gebiet um Monschau, in Rheinland-Pfalz den fernsehbekannten idyllischen Landstrich bei Mayen, in Belgien das Eupener Gebiet oder das geheimnisvolle Hohe Venn. Dieses Hochmoor liegt von der Einkehr aus gesehen zwar im Ausland, uns allen auf der Kehr aber noch erheblich näher als Monschau oder Mayen. Das Hohe Venn gehört wie auch unser Örtchen zum Naturpark Eifel . Eine Verbindung, die vom Klang her ein bisschen an einen Zoo erinnert. Wo man Fremdartiges neugierig betrachtet, aber auch froh ist, ihm nicht allzu nahe kommen zu können oder gar zu müssen. Und so verhalten wir uns auch untereinander. Nachbarn grüßen sich, sprechen darüber, dass das Wetter immer schlechter ist als im jeweiligen Radioprogramm für die immer woanders und tiefer gelegene Eifel angegeben, teilen die Ahnung eines noch kälteren Winters als des vorherigen oder eines trockeneren Sommers als gewünscht und begegnen sich zum Coujon beim Länderspiel. Als Kinder lebten Hein und Gudrun einen Steinwurf voneinander entfernt, aber sie besuchten nicht dieselbe Schule, ihre Eltern lasen eine andere Zeitung, ihr Müll wurde zu unterschiedlichen Zeiten raus- und ihre Post von anderen Menschen zugestellt. Sie lebten in der gleichen winzigen Ortschaft und waren doch durch sehr willkürlich gezogene Grenzen krass voneinander getrennt. Regine Seifenbach, im achtzehn Kilometer entfernten Prüm, hatte mehr mit Gudrun gemeinsam. Und jetzt auch noch David.
    Heins Handy singt einen Marianne-Rosenberg-Song. Ich nutze die Gelegenheit und versetze dem einzahnigen Krokodil mit der linken Hand einen ordentlichen Schlag. Vielleicht vertreibt bessere Durchblutung das plötzlich wieder einsetzende unerträgliche Jucken.
    »Sorry«, sagt Hein zu mir und: »Ja, Jupp?« zu seinem Liebsten. Jupps laute Stimme dringt blechern sogar bis an mein Ohr, aber ich verstehe kein Wort. Hein ist unter seinem bunten Schopf schneeweiß geworden und beißt sich auf die

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