Kehraus fuer eine Leiche
ich hastig. Um ihn nicht wieder in Ermittlungs-Erklärungsnot zu bringen, frage ich nicht, welche Spuren dort gefunden worden sind. »Wann kann ich es endlich zurückkriegen?«
»Morgen.«
»Das ist doch Sonntag. Da kannst du … ausschlafen«, hauche ich das letzte Wort so hin, wie ich mir die Anmache einer Telefonsexsprecherin vorstelle. Ich hasse mich dafür, die Waffen einer Frau anzuwenden. Aber ich darf ihn nicht fahren lassen.
Es funktioniert. Er setzt sich wieder.
Ich fülle sein Glas nach. Er schiebt es zur Seite.
»Du musst mich nicht besoffen machen, Katja, ich erzähle dir doch sowieso alles. Wie immer.«
»Wie immer!«
Ich bremse mich gerade noch rechtzeitig. Es wäre völlig idiotisch, jetzt auf alte offene Rechnungen zwischen uns hinzuweisen. Die des toten Reinhold Wirzig sind viel interessanter. Die Rolle meines Autos ist es auch. Und schon wieder bin ich mittendrin im Taktieren. Auch dafür hasse ich mich. Aber ich muss wissen, was los ist, darf nicht, wie vergangenes Jahr, wieder als Letzte die Dumme sein, weil Marcel mir Entscheidendes verschweigt. Das hat mich damals fast das Leben gekostet. Ich ruckele mit meinem Sessel näher an ihn heran.
»Apropos dein Auto …«
»Ja?«, unterbreche ich, vor allem vom nebensächlichen Apropos alarmiert. Er greift zum Glas und nimmt einen langen Schluck, murmelt dann: »Da ist noch was. Du solltest es in NRW anmelden.«
Ich werde noch hellhöriger. Will Marcel aus lauter Liebe zu mir mich oder mein Gefährt etwa vor weiterer polizeilicher Nachforschung in Belgien schützen? Ist eine Ummeldung nicht schon zu spät, wenn die Spurensicherung tatsächlich Belastendes darin gefunden haben sollte?
»Warum?«, frage ich vorsichtig.
Marcels Antwort kommt aus einer anderen Welt. Aus einer der ordentlich arbeitenden Behörden, die nichts mit Mord und Totschlag zu tun haben.
»Weil du es dann von der Steuer absetzen kannst, Katja. Dein Betrieb ist in Deutschland angemeldet. Es ist Blödsinn, deine Einkäufe dafür in einem Auto mit belgischem Plaquen vorzunehmen.«
»Stimmt«, sage ich benommen.
»Steffen Meier hat auf dem Beifahrersitz gesessen«, fährt Marcel fort und greift endlich wieder zu seinem Glas. »So viel wissen wir.«
Der Schluck, den ich jetzt nehme, spült mehr als nur den Whisky runter. Marcel hat ein untrügliches Talent, das Wichtige im unendlich langen Belanglosen unterzubringen. Wie der Typ vom Kreuzworträtsel im Magazin der Süddeutschen Zeitung .
Ich räuspere mich. »Er ist also möglicherweise vom Verbotsgelände zur Kirche gegangen. Dann hat sich jemand mein Auto gemopst, den Meier einsteigen lassen, ihn in Eiterbach erstochen und den Wagen auf die Kehr zurückgefahren. Wer nur?«
»Wir haben sehr viele unterschiedliche menschliche Spuren in deinem Auto aufgenommen.«
»Mein Auto fahren eben sehr viele unterschiedliche Menschen.«
»Die uns bekannten haben wir schon identifiziert. Die meisten stammen von dir und Jupp.«
Erstaunt blicke ich auf. »Niemand hat uns um DNS- oder anderweitige Proben gebeten!«
»War nicht nötig.«
Ich verstehe. Wir alle waren bei den vergangenen Gewalttaten auf der Kehr betroffen. Der belgische Staat und seine Computer vergessen nichts. Im Gegensatz zu mir. Ich hatte zum Beispiel ganz vergessen, wie schön es sein kann, mit Marcel aufzuwachen. Jetzt fällt es mir wieder ein.
Eine wilde Sehnsucht packt mich. Ich möchte nicht mehr über den Fall reden, ich möchte nicht wissen, wer alles mit meinem Auto gefahren ist. Ich möchte keinen Whisky mehr trinken. Ich möchte mich nur noch unter, über oder neben Marcel in meinem Bett vergraben. Mit ihm ausschlafen. Und ohne jegliche Überraschung aufwachen.
Ich sehe zu ihm hin. Er scheint zwar wie in seinen Sessel einbetoniert, aber ansonsten nicht recht anwesend zu sein. Wenigstens wird er nicht mehr fahren.
»Wo kommt David bei dieser ganzen Sache ins Spiel?«, frage ich. »Warum ist er von diesem Mann zusammengeschlagen worden? Er kannte doch weder ihn noch Steffen Meier.«
Marcel sieht endlich wieder zu mir hin.
»Was wissen wir schon von David?«
»Oh Gott, die arme Gudrun!«, platze ich mit dem Ersten heraus, was mir dazu einfällt.
Marcel stellt sein Glas ab, steht wieder auf, sinkt vor meinem Stuhl in die Knie und umarmt mich.
»Das«, flüstert er, »ist die Katja, die ich kenne. Nicht die berechnende Person, die überlegt, wie sie aus mir das herausquetschen kann, was ich ihr nicht sagen darf. Sondern der Mensch, der sich um seine
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