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Kehraus fuer eine Leiche

Kehraus fuer eine Leiche

Titel: Kehraus fuer eine Leiche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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Freunde sorgt. Das ist die Katja, die ich liebe.«
    Und die, mit der er morgen aufwachen wird.

12_ERWACHEN
Sonntagmorgen
    Mit einem Ruck schieße ich hoch.
    »Davids Mutter!«
    »Hä?«, kommt es recht unwirsch von dem Kopf neben mir.
    Ich schaue auf die Uhr. Kurz nach zehn.
    Marcel setzt sich auf, zieht mich zu sich heran und versucht vergeblich, mir einen Kuss auf den Scheitel zu drücken. Seufzt dann: »Wie kannst du nach dieser Nacht als Erstes an Davids Mutter denken!«
    »Sie kommt heute. Und ich weiß nicht einmal, wann!«
    »Katja!« Er rutscht ein Stück. »Mach’s dir gemütlich, ist noch warm, Linus«, sagt er, als der Hund seine Stelle einnimmt.
    »Hau ab, du Untier!«, brülle ich Linus an. Der streckt alle viere aus, knurrt vergnüglich und blinzelt den Mann, der ihm in kulinarischer Hinsicht nichts durchgehen lässt, liebevoller an als mich.
    »Hektik am Morgen soll man entsorgen«, reimt Marcel unerträglich gut gelaunt. Er springt aus dem Bett und beleidigt meine Ohren mit unangebracht fröhlichem Singen. » Here comes the sun, dadadadadah …Ich mach uns mal einen Kaffee.«
    »Nix da.« Ich wuchte mich ebenfalls aus dem Bett. »Ich muss sofort herausfinden, wann Davids Mutter kommt. Ich gehe rüber zur Einkehr. Gudrun ist bestimmt schon wach.«
    Marcel wandert um das Anderthalbpersonenlager herum und stupst mich an. Ich falle auf mein Kissen und auf den Hund. Linus fiept ungehalten.
    »Sorry, Linus«, entschuldigt sich Marcel, als ich wieder hochkrabbele. »Nicht alles hängt so an dir wie dein Hund, mon chou. Und nicht jeder lässt sich so wie der alles von dir gefallen. Da sind zwei Schwiegertöchter, die bestimmt ganz genau wissen, wann Mrs. Quirk wo ankommt. Die um sie herumscharwenzeln werden und ihr vieles zu erzählen haben. Du störst da nur, Katja. Entspann dich, es ist Sonntag. Und außerdem scheint die Sonne.«
    »Ich habe von Mathilde Quirk geträumt«, murmele ich. »Sie hat mich angeschrien. Ich hätte ihren Sohn in diesem Naziland in Gefahr gebracht.«
    »Das war ein Traum, Katja.«
    »Deutschland ist lebensgefährlich, hat sie gesagt. Vor allem auf der Kehr. Sie muss es wissen, Marcel. Ihre Familie ist ausgelöscht worden. Von Gudruns Vater. Oh Gott. Und jetzt holt die Tochter sie ab. Holt sie ab! Marcel! Das kann ich nicht zulassen.«
    Tränen quellen mir in die Augen, hinter denen die Filme mit den Güterwagen ablaufen, die mich mein Leben lang entsetzt haben.
    Behutsam lässt er sich neben mir auf dem Bett nieder und nimmt mich in die Arme.
    »Katja, was sagst du da! Das ist doch vorbei und wird nie wieder passieren. Heute seid ihr Deutschen völlig in Ordnung. Ihr könnt es euch sogar erlauben, über eure Regierung öffentlich zu schimpfen. Was wir Belgier zum Beispiel nicht können, weil wir momentan immer noch keine haben. Beruhige dich! Gudrun holt Davids Mutter doch nur am Bahnhof ab.«
    »Eben!«
    »Katja, hör auf, dich verrückt zu machen. Es war nur ein böser Traum.«
    Ich lasse mich von ihm streicheln. Frage ihn nicht, ob er so etwas wie ein kollektives historisches Schuldbewusstsein kennt. Wie sollte er auch? Er ist Belgier. Und der Kongo ist weit weg.
    »Was meinst du, was die Frau sich freuen wird, einen Enkelsohn in die Arme zu schließen«, fährt er fort. »Hab keine Angst vor ihr. Sie wird dich gernhaben.«
    »Weil ich ihrem Sohn nach so vielen Jahrzehnten endlich zu seinem Recht und Besitz verholfen habe?«, frage ich unter Tränen.
    »Nein, weil du du bist. Ich hatte übrigens auch einen seltsamen Traum. Du hast mir diesen Floh gestern Nacht ins Hirn gesetzt. Du bist schuld an meinem Traum, dass du das nur weißt!«
    Froh, an etwas so Harmlosem schuld zu sein, wische ich mir das Gesicht mit einem Kissenzipfel ab, sehe ihn erwartungsvoll an und rutsche wieder in die Horizontale. Marcel rutscht mit und der Hund vom Bett.
    »Der Gnadenhof«, murmelt er.
    »Ja?«
    »Schon das Wort. Gnadenhof. Klingt nach gnadenlos. Vielleicht war es das. Auch unsinnig. Genau wie dein Traum eben. So ein Wort wie Gnadenhof sollte doch eigentlich positive Gefühle auslösen. Dankbarkeit, dass es Menschen gibt, die sich um alte, verwahrloste oder aussortierte Tiere kümmern. Das Wort Gnade ist hell, der Hof in meinem Traum war finster und unversöhnlich.«
    »Der gnadenlose Gnadenhof …«, murmele ich, an den gnadenlosen Vater denkend, an Pia mit ihrem gnadenlosen Mundwerk, an Patti mit ihrer gnadenlosen Wut und an die Mutter mit ihrer gnadenlosen Gleichgültigkeit.
    »… hat

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