Kehraus fuer eine Leiche
Trierer Raum über die Grenze geschwappt, aber ansonsten nicht überall in der Eifel verbreitet.«
»Ach nee?« Meine Überraschung ist echt. Ich hatte diese Formulierung generell für typisch Eifelerisch gehalten, nicht für eine eher ortsgebundene Variante.
»Außerdem sind beide Leichen in Belgien aufgefunden worden, im Süden der Deutschsprachigen Gemeinschaft«, spricht Marcel weiter.
Meine Güte, ich habe ihn wirklich angesteckt! Zeit, ihn zu bremsen:
»Belgier morden nur in Belgien?«
»Da kennen sie sich aus.«
»Wenn du das in deine Ermittlungsakte schreibst, wirst du von dem Fall abgezogen und frühzeitig in den Ruhestand geschickt«, warne ich und fasse seine von meiner Ahnung befeuerten Überlegungen kurz zusammen: Herr Prönsfeldt könnte der Mörder von Steffen Meier und Reinhold Wirzig sein, weil beide Leichen in Belgien aufgefunden wurden. Und weil die hierorts ansonsten unbekannte Prönsfeldt-Familie den mit Vorliebe in den Ostkantonen des Königreichs gesprochenen Dialekt spricht. Eine tolle Beweisführung; ich höre schon das Gelächter des Richters.
»Und wenn nun die beiden toten Kölner mit Herrn Pee irgendwelche dubiosen Geschäfte gemacht haben?«, fragt Marcel. »Vielleicht ist der Gnadenhof die Fassade für eine Geldwaschanlage, für ein Diebesgutlager oder für andere kriminelle Machenschaften?«
»Schau doch in eurem Nationalregister nach«, empfehle ich Marcel, der meinen Kleiderschrank nach seiner Zivilkleidung durchwühlt. »Da wird doch alles über jeden notiert. Wenn die Prönsfeldts in Belgien gewohnt haben, können sie kein Geheimnis vor dir haben.«
»Mach ich später. Nachdem ich mir die Bude gründlich angeschaut habe.«
Doch erst bedürfen wir der Stärkung. Seitdem ich ein Restaurant führe, gibt meine häusliche Küche kein Frühstück mehr her. Wir verlassen also Belgien und wandern über die Straße nach Deutschland.
Vor der Einkehr stehen Regine Seifenbachs Wagen und Heins Rote Zora.
»Wird bestimmt gleich furchtbar lustig«, murmele ich ungehalten, als ich die Tür für Marcel, Linus und mich aufstoße.
Alle sitzen an zwei zusammengeschobenen Tischen im Gastraum und reden wild durcheinander. Bis auf Jupp, der den Kopf auf die Hände gestützt hat und nicht einmal aufblickt, als wir eintreten. Der Streit mit Hein hängt ihm offensichtlich noch nach.
Daniel sieht uns als Erster. Wer sich auf wen stürzt, ist mir nicht ganz deutlich, nur die Tatsache, dass ich mich im Moment wenigstens weder um Linus noch um Davids Sohn zu kümmern habe. Die Erwachsenen hingegen würde ich bis auf Jupp allesamt am liebsten augenblicklich in ein Trappistenkloster einweisen.
Ist es zu viel verlangt, in den eigenen vier Wänden meines Restaurants nur frühstücken zu wollen? Ohne lärmende Menschen an einem Tisch, den keine Teller mit Essensresten, verschmierte Kaffeebecher und Tausende von Brötchenkrümeln verunstalten? Es muss kein großes goldenes Omelett mit Ahornsirup, frischen Erdbeeren und kross ausgebackenem Speck sein; eine Schrippe mit uraltem Gouda und Ingwermarmelade auf einem sauberen Teller würde mir völlig genügen. Ich hole tief Luft, um zu einem Löwinnengebrüll anzusetzen.
»Guten Morgen«, sagt Marcel leise.
Sofort herrscht Stille.
»Dürfen wir mit frühstücken?«
Gudrun springt sofort auf und stürzt in die Küche, Hein fegt mit einer Serviette ein paar Krümel auf den Boden, Jupp schiebt einen weiteren Tisch heran und Regine zwei Stühle.
Ich passe mich Marcels erfolgreicher Tonlage an: »Heute kommt Davids Mutter.«
»Nein«, sagt Regine Seifenbach. »Eben nicht.«
»Sie ist auf dem Weg zum Flughafen gestürzt und hat sich ein Bein gebrochen«, ruft Gudrun von der Tür.
»Und ist jetzt selbst im Krankenhaus«, setzt Regine hinzu.
Mein erster Gedanke ist ziemlich herzlos: Eine Sorge weniger. Der zweite ist ziemlich beunruhigend: Gibt es Mrs. Quirk überhaupt? Vielleicht gehört die Dame nur zu Davids Legende, die für die CIA nicht wichtig genug ist, um auch noch eine alte Frau aus Fleisch und Blut auf die Kehr zu zaubern. Als Drittes überlege ich, mich selbst wegen ausgeprägten Verfolgungswahns einweisen zu lassen, und als Viertes, ob es in diesem Teil der Eifel überhaupt entsprechende Einrichtungen gibt.
Marcel führt mich an den Tisch und rückt mir den Stuhl zurecht. Dann reicht er Regine Seifenbach die Hand und stellt sich vor.
»Das ist Regine, sie gehört jetzt zu uns«, erklärt Hein, um den Förmlichkeiten ein Ende zu bereiten.
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