Kehraus fuer eine Leiche
»Und der Junge, der gerade mit Linus rausgerannt ist, heißt Daniel und ist Davids Sohn, wie du bestimmt schon gehört hast.«
»Worüber habt ihr denn grad gestritten?«, will ich wissen.
»Über David. Sein Zustand hat sich stabilisiert. Er wird heute aus dem Koma geholt«, berichtet Regine. »Und ich habe im Krankenhaus durchgesetzt, dass ihr ihn morgen alle besuchen könnt.«
Gudrun kehrt zurück. Aus der Küche höre ich es prasseln.
»Das ist doch wunderbar.«
»Finde ich nicht«, sagt Hein. »Der Mann braucht doch erst mal seine Ruhe.«
»Er weiß gar nicht, dass er einen Sohn hat«, wirft Jupp ein. »Vielleicht ist das zu viel für sein Herz.«
»Er hat was auf den Kopf gekriegt, sein Herz ist völlig in Ordnung«, empört sich Gudrun, die es wissen muss.
»So ein Migränestäbchen kann weitreichend böse Auswirkungen haben«, bemerkt Hein.
»Ein was?«, fragt Regine entsetzt.
»Ein Baseballschläger, den nennt man so in gewissen Kölner Kreisen. Lasst den armen Mann doch erst mal richtig zu sich kommen, bevor ihr ihn alle überfallt.«
Das Geschnatter ist wieder voll im Gange.
»Der Mann, der ihn überfallen hat, ist tot«, übertöne ich die Diskussion. Sofort sind alle still.
»Ob er David überfallen hat, wissen wir noch nicht sicher«, wendet Marcel ein.
»Jedenfalls ist gestern noch ein Mann ermordet worden«, sage ich, »und der hatte einen Baseballschläger in seinem schlammgrünen Kölner Geländewagen.«
»Oh Gott«, flüstert Hein. Er wird kreidebleich und sieht aus, als würde er gleich vom Stuhl fallen. Jupp setzt sich neben ihn und legt ihm sanft eine riesige Tatze auf die Schulter.
»Auch erstochen?«, fragt er sachlich. Ich schüttele den Kopf, bin erleichtert, dass die Nachricht vom Tod eines uns Unbekannten die beiden wieder zusammenrücken und den albernen Streit um den Jacuzzi vergessen machen lässt.
»Wenn er David so zugerichtet hat, bin ich froh, dass er tot ist«, flüstert Gudrun, nachdem ich von Reinhold Wirzig und seinem Ende berichtet habe.
»So etwas darfst du nicht einmal denken«, tadelt Jupp. »Da ist ein Menschenleben brutal ausgelöscht worden. Das Recht darf sich niemand holen.«
»Was ist, wenn jemand Hein was antut?«, fährt Gudrun auf. »Da würdest du doch auch zwischengehen.«
Hein beginnt zu zittern. Jupp zieht ihn näher an sich heran.
»Ganz ruhig«, murmelt er, »ist doch alles vorbei.« Laut sagt er: »Genau das ist damals in Köln passiert. So haben wir uns kennengelernt. Als sich ein paar Skins den Hein zum Gay-Bashing vorgeholt haben. Ich habe die Kerle krankenhausreif geprügelt.«
Keiner sagt etwas. Diese Offenbarung ist für uns alle neu und sehr erschreckend. Wir wussten bisher nur, dass sich die beiden vor Jahren bei einer Veranstaltung in Köln kennengelernt und dabei entdeckt hatten, dass sie aus derselben Ecke stammen, und seitdem unzertrennlich sind. Ich stehe langsam auf, gehe ans Fenster und blicke hinaus auf die Landschaft, in der ständig irgendjemand ermordet wird, ein schwules Paar aber in Frieden leben kann. Trotz allem, was sogenannte Heimatfilme suggerieren.
»In der Küche verbrennt was«, sage ich zu Gudrun. Sie springt sofort auf.
»David wird uns ja morgen verraten, wer ihn überfallen hat«, sagt Regine, für die wir alle zu unbekannt sind, als dass sie die Ungeheuerlichkeit von Jupps Bemerkung einordnen könnte.
»Als Erstes wird die Polizei mit ihm sprechen wollen«, meldet sich Marcel.
Ich sehe Patti mit dem üblichen Tablett Jupps schönes Kopfsteinpflaster betreten.
»Da kommen ja meine Eier«, sage ich enttäuscht. Also werden wir wohl die Besichtigung meiner Adoptivhühner als Begründung für einen Besuch auf dem Gnadenhof vorschieben müssen.
Hein löst sich aus Jupps Umarmung und damit wohl auch aus den Gedanken um seine frühere Konfrontation mit den Skinheads. Die Farbe ist in sein Gesicht zurückgekehrt. Er springt auf, sieht aus dem Fenster und hält mir den Stuhl hin wie soeben Marcel. »Lass nur, Katja, ich hol dem Mädchen schon die Eier ab.«
Kaum sitze ich, da eilt er zur Tür, als erwarte ihn draußen eine freudige Sendung. Er wird sich wundern; Patti ignoriert Männer grundsätzlich. Es würde mich sehr überraschen, wenn sie ihn überhaupt zur Kenntnis nähme oder ihm gar die Eier aushändigte. Neugierig stehe ich wieder auf und schaue aus dem Fenster. Und werde tatsächlich überrascht.
Hein nimmt Patti nicht das Tablett ab, sondern spricht gestikulierend auf sie ein. Sie schaut ihm
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