Kehraus fuer eine Leiche
verärgert den Schneifeler Bauern, bestürzt ihn aber nicht. Eisige Stürme machen ihn gar frohgemut lachen, wenn er ein Windrad sein Eigen nennt, was sehr oft der Fall ist. Als Touristin würde ich auch über die Verspargelung der ansonsten unverbauten weiten Landschaft jammern; als Einheimische begreife ich, dass hier aus wahrer einstiger Not eine Tugend und mit dieser eben Wind genutzt und Geld gemacht wird. Für den Getreideanbau ist die Saison nämlich zu kurz, und diverse jüngere Versuche mit Maisfeldern haben die Bauern bisher auch noch nicht wirtschaftlich überzeugen können.
Die Wärme der Sonne neckt uns jetzt nur; es wird wieder kalt werden. Das wissen auch die Vogelschwärme, die über uns hinweg nach Norden fliegen, vermutlich in die mildere Region der Rheinischen Tiefebene. Im gar nicht so fernen Euskirchen ist es jetzt mindestens sieben Grad wärmer.
»On y va«, reißt mich der Polizist in Zivil aus meiner Betrachtung. »Lass uns unterwegs überlegen, was wir über diesen Fall wissen und wo unsere Vermutungen ins Spiel kommen. Wie Pia Prönsfeldt an Steffen Meier geraten sein könnte. Ob ihn das umgebracht hat. Und wenn ja, warum. Hat David etwas herausgefunden? Er hat den Prönsfeldts schließlich den Hof verpachtet. Steckt er mit drin? Ist er deshalb von Reinhold Wirzig zusammengeschlagen worden? Den dein Herr Pee erschossen hat, weil er in Ruhe seinen Gnadenhof aufbauen und seine Familie schikanieren will. Würde passen, der belgische Eifeler holt nicht das Messer. Der schießt. Das Messer ist mehr was für Frauen. Vor allem so ein Küchenmesser. Dann hätten wir es mit zwei Tätern zu tun. Mit Vater und Tochter. Falls du der Pia das zutraust. Tust du das?«
14_GEDANKENSPIELE
Ich verstumme vor Staunen. Nie zuvor hat mich Marcel eingeladen, ihn bei seinen Ermittlungen zu unterstützen. Nie zuvor hat er mich an seinen Überlegungen teilhaben lassen oder mich gar um Rat gefragt.
Über keinen der vergangenen Morde haben wir je freundlich miteinander diskutiert. Vermutlich, weil ich damals selbst in alle Fälle verwickelt gewesen bin. Diesmal trifft nur mein Auto und mein Messer eine Schuld. Was schon schlimm genug ist. Ich kannte keinen der Ermordeten und kenne den oder die Mörder hoffentlich auch nicht.
»Nein, einen kaltblütigen Mord traue ich Pia dann doch nicht zu«, antworte ich, dankbar, dass Marcel nicht dein Küchenmesser gesagt hat. »So widersprüchlich sie sich auch verhält.«
Möchten Sie ein Huhn adoptieren? Die Unschuld der Frage habe ich dem ganzen Mädchen zugeordnet, der unbekömmlichen Aufmachung und scheinbaren Schüchternheit das harmlose kleine Mädchen abgenommen. Ich bin auf den ältesten Trick der Welt hereingefallen, weil er umgekehrt angewandt worden ist. Weniger Schein als Sein.
»Aber Herr Pee hat seine Töchter offenbar zu Geschäftstreffen mitgenommen«, fahre ich hastig fort. »Bei so einem könnte sie doch dem Meier begegnet sein. Da hat er sie dann angebaggert.«
Marcel wiegt den Kopf.
»Möglich, aber nicht wahrscheinlich. Der Meier machte nur Geschäfte mit menschlichen Rindviechern, nicht aber mit Eifeler Rindern«, sagt er und nimmt meinen Arm. Letzteres ist auch etwas Neues. Normalerweise lehne ich eine solche Berührung ab, weil ich Platz benötige und mich ungern dem Gehrhythmus eines anderen anpasse. Das brauche ich bei Marcel nicht. Wäre schlichtes Voreinandersetzen der Füße eine preiswürdige Tanzform, würden wir aus dem Stand zu Weltmeistern gekürt werden.
»Vielleicht ist Herr Pee ja ein veritables menschliches Rindviech«, merke ich an, während wir in träumerischem Gleichschritt über die holprige Straße schreiten. »Wir müssen herausfinden, ob er sich öfter in Köln aufhält und, wenn ja, was er da tut. Wie kann ein gescheiterter Viehhändler einen Gnadenhof unterhalten? Schon das Futter für all die Tiere! Ist mit meiner Eiersubvention nicht zu finanzieren. Vorhin hast du ja auch überlegt, ob der Pee in dubiose Geschäfte verwickelt sein könnte. Hein soll sich mal in den entsprechenden unerfreulichen Kreisen umhören.«
»Dauert zu lang«, wehrt Marcel ab. »Wir brauchen flott die Ergebnisse.«
Wir. Ich fühle mich angesprochen, spüre, dass er mit diesem Wort nicht seine Polizeikollegen meint. Jedenfalls nicht nur. Er bezieht mich ein. Wie ich ihn gestern Nacht zum ersten Mal einbezogen habe.
Nach dem Zusammenbruch meines Taktierens und nach seiner Liebeserklärung habe ich einige Geständnisse abgelegt. Von meiner
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