Kehraus fuer eine Leiche
hinzu.
Ich würdige ihn keines Blickes. Bin jetzt selbst erschrocken. Fünf Minuten hin, bumm, fünf Minuten zurück. Mit der Roten Zora im sechsten Gang vielleicht noch schneller. Hein kennt jede Kurve der waldigen Strecke.
Herrn Pee hatte ich nicht aus den Augen gelassen. Gudrun, Hein und Regine haben serviert. Wäre mir eine zehnminütige Abwesenheit von Hein aufgefallen? Ich glaube schon, aber ich weiß es nicht. Mir war an jenem Abend nur wichtig gewesen, die DNS auf den peeschen Sektgläsern sicherzustellen.
»Hein«, sagt Marcel leise. »Wir müssen dich festnehmen. Es tut mir leid.«
»Was ist mit meinem Alibi!«, fährt er verzweifelt auf. »Fragt doch Gudrun und Regine. Die werden das bestätigen! Selbst wenn ich gewollt hätte, wäre ich nicht weggekommen. Die Frauen hätten mich nicht gelassen. Weil es so viel zu tun gab.«
»Du hast ein Mordmotiv«, erklärt Marcel. Er sagt noch etwas, aber das geht durch das heftige Klopfen am Fenster unter. Hinter der Gardine sehe ich einen strohblonden Kopf.
»Augenblick«, entschuldige ich mich und eile in den Flur.
Vor meiner Tür steht der letzte Mensch, den ich da erwartet hätte. Petra Prönsfeldt. Sie hält mir ein Eiertablett hin.
»Die sind wir Ihnen schuldig«, sagt sie. Ihre Stimme klingt gehetzt.
»Danke«, sage ich, nehme ihr die Eier ab und will die Tür wieder schließen. Sie stellt einen Fuß dazwischen.
»Da ist noch etwas«, sagt sie drängend. »Ich muss unbedingt mit Ihnen reden.«
»Das ist gerade ungünstig«, erwidere ich und beschließe, bei der Wahrheit zu bleiben. »Ich habe die Polizei im Haus.«
»Wegen der Pia?«, fragt sie atemlos.
»Nein«, antworte ich.
»Was hat Ihnen die Pia erzählt? Als Sie meine Suppe gegessen haben?« Die blassblauen Wasseraugen füllen sich mit Tränen. »Meine Tochter ist krank, wissen Sie, die lebt in ihrer eigenen Welt. Sie leidet unter Verfolgungswahn. Erfindet Geschichten. Deswegen hat sie Sie in den Bunker gesperrt. Und Tabletten genommen.«
»Schon gut«, sage ich. »Ich trage ihr nichts nach. Auf Wiedersehen.« Erst jetzt merke ich, dass sich nach dem Fuß der ganze Körper dieser Frau in den Türrahmen geschoben hat. Ich fühle mich bedrängt.
Und ich will schnell wieder ins Wohnzimmer zurück. Um Hein zur Seite zu stehen.
»Danke«, sagt Frau Pee, »dass Sie sich so um die Pia gekümmert haben.«
Ich verkneife mir die Bemerkung, dass es eher andersherum gewesen war, bedenke, dass diese Frau ihre jüngste Tochter fast durch einen Selbstmord verloren hat, und stelle deshalb die Frage, die sich gehört: »Wie geht es Pia jetzt?«
»Sie ist wieder aufgewacht. Und möchte sich bei Ihnen entschuldigen.«
»Ich werde sie morgen besuchen«, verspreche ich und wundere mich, dass es mir nicht gelingen will, diesen fremden Korpus auf den Hof hinauszudrängen. Normalerweise muss ich mich nur positionieren, und schon weicht alles zurück. Nicht Petra Prönsfeldt. Die zieht das gleiche Programm durch. Das nötigt mir einen gewissen Respekt ab.
»Können wir morgen reden?«, frage ich sie und deute hinter mich. Die Stimmen, die aus dem Wohnzimmer in den Flur dringen, klingen zunehmend erregter.
»Natürlich«, antwortet sie und presst ihr teigiges Gesicht in ein gefälliges Lächeln. »Kommen Sie doch bitte um fünf Uhr zum Tee zu uns auf den Gnadenhof.«
Als wolle sie mich beim Earl Grey als Dekoration der Salatgurkenhäppchen verspeisen.
22_VERRAT
Mittwochnachmittag
»Handschellen sind nicht nötig«, sagt Marcel zu Erwin Hannen, als ich ins Wohnzimmer zurückeile. Keiner sitzt mehr. Hein steht zusammengekrümelt gegen Jupp gelehnt und wiederholt unablässig sein Mantra: »Glaubt mir doch, ich war es nicht!«
Ich greife zum ersten Gegenstand, den ich sehe. Das ererbte blaue Kitschobjekt war mir schon immer ein Dorn im Auge. Eine Pietät, die mir jetzt fremd ist, hat es bisher vor dem Mülleimer gerettet. Ich schleudere die Statuette mit Wonne zu Boden. Sie zerschellt in mindestens ebenso viele Stücke, wie Hein dem Wirzig Euros geschuldet hat. Vor Schreck fallen die Polizisten auf das Sofa zurück.
»Doch nicht die Jungfrau Maria!«, flüstert Jupp entsetzt.
»Nein, das da eben war Frau Petra Prönsfeldt«, schreie ich wütend. »Mit der sollte sich die belgische Polizei endlich beschäftigen. Und nicht meine Freunde belästigen.«
Den letzten Satz bringe ich nur keuchend hervor. Ich kann kaum atmen. Ein gewaltiger Druck lastet mir auf der Brust. Fast so wie neulich im Bunker. Mein Kopf
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