Kehraus fuer eine Leiche
krankenhausreif geschlagen hätte. Weil dieser zur falschen Zeit am falschen Ort war. Aber es ist nicht auszuschließen, dass David zur falschen Zeit am falschen Ort etwas Falsches gesagt hat.
Nehmen wir mal an, der Mann hat ihn tatsächlich nach Hein gefragt.
Was nicht unbedingt heißen muss, dass Hein selbst den Wirzig auch kannte, versuche ich mich zu beruhigen, als ich am Hahnplatz in Prüm den Motor abstelle. Schon wieder ein Auffahrunfall am Zebrastreifen. Vielleicht sollte sich diese Stadt doch mal eine Verkehrsampel leisten.
Hein könnte dem Wirzig in Köln über den Weg gelaufen sein. Eine flüchtige Bekanntschaft, die er nicht mit dem in Losheimergraben ermordeten Mann in Verbindung gebracht hat. Da Wirzigs Identität schnell geklärt war, brachten die Zeitungen keine Fotos von ihm. In Köln muss es Hunderte von Reinhold W.s geben. Verzweifelt fahnde ich nach Gründen, die Hein entlasten könnten. Reinhold Wirzig war ein Kleinkrimineller, ein Geldverleiher, ein Mann des Milieus. In dem sich auch Hein auszukennen scheint.
Das Migränestäbchen macht mir Kopfschmerzen. Wie locker Hein dieses schreckliche Wort aussprach. Und er fährt ein teures Auto und hat Geldsorgen. Siedend heiß geht mir auf, dass ich daran nicht ganz unschuldig sein könnte. Immerhin hat ihm mein Gefühl für Recht und Ordnung im vergangenen Jahr möglicherweise eine lukrative Geldquelle verschlossen. Also leiht sich Hein wie auch Steffen Meier bei Wirzig eine Summe, die er nicht zurückzahlen kann.
Hals über Kopf verlässt er Köln und taucht in der Eifel unter. Zieht in eine Gegend, wo man nachts nicht mal die Bürgersteige hochklappen kann, weil es keine gibt. Ebenso wenig wie Haustürschilder, da die Briefträgerin ohnehin jeden Namen kennt. Hier ist er zu Hause, aber für den Rest der Welt unauffindbar. Auch für Reinhold Wirzig.
Aber so ein Geldverleiher ist schlau. Und Hein redet gern und manchmal recht unbedacht. Kann sein, dass er in besseren Zeiten doch mal den Ortsnamen Kehr erwähnt und sich Wirzig das für alle Fälle gemerkt hat.
Als Wirzig, aus welchem Grund auch immer, seinen anderen Gläubiger, Steffen Meier, auf die Kehr fährt, nutzt er die Gelegenheit, um Hein aufzuspüren. Er hat vielleicht die Leitstelle des Kampfmittelräumdienstes nur deshalb betreten, weil auf der Kehr kein weiteres amtlich aussehendes Gebäude steht, bei dem man unverbindlich um Auskunft bitten kann. Sollte es so gewesen sein, gibt es für den Angriff auf David nur eine Erklärung: Wirzig hatte vor, Hein eine Lektion zu erteilen, und wollte verhindern, dass David seinen Besuch ankündigt.
Am Hahnplatz geht es endlich weiter. Ich stelle den Motor wieder an und fahre um die beiden ineinander verkeilten Autos herum aufwärts Richtung Schneifel. Sehe nahe dem Schild Schwarzer Mann zwischen immer noch leicht überzuckerten Fichten den hohen Antennenturm zur Linken. Davids alter Arbeitsplatz. Der mich im Moment auch dann nicht die Bohne interessieren würde, wenn David mit den zwanzig amerikanischen Atombomben zu tun gehabt hätte, die heute noch in der Eifeler Erde lagern. Was alle Eifeler wissen und sie wenig stört. »Wenn da eine hochgeht, sind wir schneller weg, als wir denken können; also ist es uns scheißegal«, sagte Jupp, als ich ihm vor Kurzem entgeistert einen entsprechenden Artikel aus der Süddeutschen Zeitung zeigte.
Was weiß Jupp von Heins Schulden? In der Vergangenheit hat Hein einiges vor seinem Freund geheim gehalten, aber in den meisten Fällen kam der Waldarbeiter intuitiv hinter die Wahrheit. Die er als echter Eifeler natürlich nicht in Worte gekleidet, sondern durch richtiges Handeln zur richtigen Zeit ans Licht gebracht hat. Ohne Hein Vorhaltungen zu machen oder ihn bloßzustellen. Er ist ihm in allen schweren Stunden beigestanden. Das wird wohl jetzt leider auch wieder nötig sein.
Mensch, Hein! Du hättest doch zu mir kommen können! Ich hätte dir doch Geld gegeben. Wütend schlage ich aufs Steuer. Mein Auto beginnt zu schlingern. Ich kann gerade noch verhindern, dass es von der Straße gerät und durch die Umzäunung der Wetterstation Ormont brettert.
Konzentration. Hinter dem Mooshaus geht es nur noch geradeaus, eine Rennstrecke, die zum Rasen einlädt. Wo es gewaltig holpert, wenn man über die Straßenbuckel fliegend Rheinland-Pfalz verlässt und vor dem Willkommensschild von Nordrhein-Westfalen auf ein anderes Straßenpflaster knallt.
Die Temperatursäule am Autohaus zur Linken zeigt neun Grad an. Da
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