Kehraus fuer eine Leiche
nicht mit Patti streiten. Ich möchte erfahren, weshalb unser Leben auf der Kehr durcheinandergeraten ist. Dahinterkommen, wer Steffen Meier auf dem Gewissen hat. Um Jupp zu entlasten. Um einen ganz normalen Alltag zu führen, in dem es vielleicht doch wieder ein Restaurant geben kann.
Ahnt Patti, wie verdächtig sie sich gerade gemacht hat? Obwohl über Steffen Meier und den Mord kein Wort gefallen ist, beschleicht mich ein sehr ungutes Gefühl. In rasender Geschwindigkeit setzt sich in meinem Kopf ein neues Puzzle zusammen.
Es beginnt mit unserer Begegnung hinter der Leitstelle des Kampfmittelräumdienstes. Als sie mir ein Märchen auftischte, wie ich damals schon vermutet hatte. Aber nicht jedes ihrer Worte war gelogen. Sie begrüßt den Mord an Steffen Meier. Ich bin froh, dass er tot ist. Weil er Böses mit ihrer Schwester vorgehabt hätte. Ausgeschlossen ist zwar nicht, dass auch der Meier an Pia verdienen wollte, aber ich halte das im Lichte unserer neuen Erkenntnisse für eher unwahrscheinlich. Alles deutet darauf hin, dass der Mann wirklich sein zwielichtiges altes Leben hinter sich lassen und mit Pia zu neuen Ufern aufbrechen wollte.
Deswegen hat ihn Patti gehasst. Er wollte ihr die Schwester wegnehmen. Was jetzt die Ärzte getan haben. Vielleicht hatte sie für sich und die Schwester bereits ein eigenes Ausstiegs-Szenario aus dem Familienverbund entwickelt. Dauernd kommt ihr jemand zuvor. Reibt ihr das eigene Versagen unter die Nase. Das macht ihren Zorn noch begreiflicher. Und wäre ein sehr starkes Motiv.
Sie hat mir gegenüber zugegeben, Pias E-Mail-Wechsel mit Steffen Meier gelesen zu haben. Die letzte Mail wurde am vorletzten Samstag verschickt. Darin fleht Pia ihn an, am nächsten Mittag in der Kapelle der Kehr auf sie zu warten, für sie wegzuholen . Den letzten Satz des Schreibens hat Marcel mit belegter Stimme zitiert: Es ginge um Leben und Tod.
Wird diese Formulierung Patti später als Vorsatz angelastet werden? In meinem Puzzle zeichnet sich zunehmend deutlich ihr Bild ab. Vieles spricht dafür, dass sie Steffen Meier erstochen hat. So bin ich überzeugt, dass Pia das fatale Schreiben nicht selbst abgefasst haben kann. Nicht nur, weil alle ihre vorherigen E-Mails an Schultagen abgesandt worden sind, sondern vor allem, weil sie ein solches Treffen mit Steffen niemals versäumt hätte. Endlich würde ihr Traum wahr werden und der Liebste mit ihr durchbrennen. Wie hätte ein krankes Pferd sie da aufhalten können? Die letzte Gewissheit werden wir wohl erst erhalten, wenn Pia wieder vernehmungsfähig ist.
Ich habe weder Computer noch Laptop in den Zimmern der Mädchen gesehen. Patti selbst hat mir gesagt, beide benutzten ausschließlich einen Rechner in der Schule. Auch deshalb bin ich bisher davon ausgegangen, Paul Prönsfeldt hätte Steffen Meier zu seinem Rendezvous mit dem Tod eingeladen.
Der Mann hat einen Computer in seinem Arbeitszimmer. Und Patti ist es immerhin gelungen, das Passwort ihrer kleinen Schwester zu knacken. In seinem eigenen Haus wird Herr Pee seine Töchter kaum ständig überwacht haben. Ein paar unbeobachtete Minuten hätten Patti gereicht, um von seinem Computer aus die fatale E-Mail abzuschicken.
Zur Tatzeit soll sie krank im Bett gelegen haben, während Pia und Frau Pee um den Tierarzt herumwuselten. Sie hätte sich bestimmt unbemerkt davonstehlen können; vielleicht im Glauben, Steffen Meier mit Worten davonscheuchen zu können. Das hat nicht funktioniert. Aber sie hatte auf dem Weg zur Kapelle mein unverschlossenes Auto gesehen. Und mein japanisches Messer auf dem Fenstersims.
Die Versuchung, Steffen Meier für immer loszuwerden, war genauso gewaltig wie ihre Wut auf diesen Mann. Verstellung ist ihr zur zweiten Natur geworden; das habe ich ja selbst erlebt. Sie könnte die Taktik gewechselt haben. Hat ihm vielleicht vorgegaukelt, anfangs nur seine lauteren Absichten testen zu wollen. In Wahrheit warte Pia voller Sehnsucht auf ihn. Woanders. Bei Eiterbach, zum Beispiel. Patti schnappte sich also mein Auto und fuhr mit ihm dorthin. An einer geeigneten Stelle hielt sie an, ging ihm ein Stück in den Wald voraus, drehte sich dann um und stieß ihm das Messer so ins Herz wie vielleicht früher den Schweinen auf dem alten Hof in Weckerath.
So könnte es gewesen sein. Alles passt. Jetzt, da ich ihre Schwachstelle und ihre Finten kenne, traue ich mir durchaus zu, dem Mädchen ein Geständnis zu entlocken.
»Lass uns zusammen in Ruhe darüber nachdenken, wie wir Pia
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