Kehraus fuer eine Leiche
helfen können«, sage ich. Und will ihr, wie die Hexe in Grimms Märchen, meine Gastfreundschaft anbieten. Doch wir werden von einem lauten Ruf gestört: »Patrizia! Kartoffeln schälen!«
»Die kann mich mal«, murmelt Patti und schwingt wieder den Vorschlaghammer. Ich halte sie am Arm fest.
»Wie willst du denn den Stacheldraht festmachen, wenn du den Pflock noch tiefer reinschlägst?«
Patti schüttelt meinen Arm ab und behämmert den Zaunpfahl mit voller Wucht.
Petra Prönsfeldt belässt es nicht bei Worten. Mit großen Schritten stapft sie quer über die Weide auf uns zu. Demonstrativ wendet ihr die Tochter den Rücken zu.
»Sei doch nicht so störrisch, Patrizia«, bittet Frau Pee. »Was soll denn Frau Klein von dir denken?«
Etwas, was dir gar nicht gefallen würde, denke ich und begrüße sie bemüht freundlich.
Frau Pee entschuldigt sich für die Störung vom Nachmittag und bittet mich zu einer Tasse Tee ins Haus.
»Ich könnte Ihnen ja dabei die Kartoffeln schälen«, biete ich an, als sich Patti nicht vom Fleck rührt.
»Wo denken Sie hin!«, erklärt die Riesenmade empört, als sie mit mir auf das Haus zugeht. »Nach allem, was Sie wegen meiner Jüngsten durchmachen mussten!«
»Ihre Töchter haben noch viel Schlimmeres durchgemacht«, sage ich.
»Und wer denkt daran, was ich durchgemacht habe!«, gibt sie zurück. Sie schüttelt den Kopf so heftig, als könne sie das Durchgemachte damit herausschleudern. Hastig fährt sie fort: »Die Pia ist krank und kommt jetzt in ordentliche Behandlung. Deshalb ist die Patrizia auch so unleidlich. Sie glaubt, dass es unsere Schuld ist.«
»Ist es das?«, frage ich leise, als wir vor dem Haus stehen.
Frau Pee schlägt die Hände zusammen.
»Mein Gott! Natürlich macht man bei der Erziehung Fehler!«
»Welche Fehler?«, hake ich sofort nach.
Unentwegt den Kopf schüttelnd beäugt sie Linus, der hinter uns hergetrottet ist.
»Wir haben eine Regel, liebe Frau Klein. Tiere kommen uns nicht ins Haus. Sperren Sie Ihren Hund also bitte in den Zwinger, oder binden Sie ihn da drüben fest.«
Ich entschuldige mich beim widerstrebenden Linus, als ich seine Leine an einem offensichtlich dafür vorgesehenen Pflock befestige. Dessen Unverrückbarkeit wahrscheinlich auch Pattis Zorn zu danken ist. Mein Hund stimmt ungehalten in das Gebell seiner eingesperrten Artgenossen ein. Er ist eine solche Behandlung nicht gewöhnt, kennt angebundenes Warten nur vom Supermarkt. Den da erforderlichen kurzzeitigen Freiheitsentzug erträgt er in Gelassenheit, voller Vorfreude auf das frische Häppchen, mit dem ich ihn danach immer belohne. Jetzt aber bellt er. Der kluge Hund ahnt, dass ich ihm aus diesem düsteren Haus kein Leckerli mitbringen werde.
An der Küchentür lässt mir Frau Pee den Vortritt.
Ich gebe mir einen Ruck und betrete das Vestibül meines Gefängnisses vom Montag.
»Bitte setzen Sie sich, Frau Klein. Welchen Tee möchten Sie?«
Ich lasse mich auf dem Stuhl nieder, auf dem Pia am Montag gesessen hat, und mustere das Angebot auf dem Holztablett, das mir Frau Pee zuschiebt.
Die Verheißungen der Teebeutel überfordern mich. Sie zwingen mich, Position zu beziehen, zu bekennen, was mir im Leben wirklich wichtig ist.
Schlank und schön. Gesunde Abwehr. Hol dir Kraft. Oase der Inspiration. Freu dich. Basis deiner Seele. Zeit für Energie. Bleib jung. Wach auf. Innere Ruhe. Heiße Liebe. Einfach schön. Klarer Kopf.
Nichts davon möchte ich missen. Dennoch muss ich mich jetzt spontan auf eine Richtung festlegen. Und die gäbe Frau Pee Einblick in meine derzeitige Gemütslage. Was meinen Absichten keineswegs zuträglich wäre. Also lächele ich der Pythia des Säckchen-Orakels unverbindlich zu und bitte sie, das Passende für mich auszuwählen.
Ich rechne damit, dass sie mich mit Innere Ruhe einlullen will. Aber leider hängt sie einen Beutel Schlank und schön in einen Becher mit Marienkäfermuster. Sehr wenig aufschlussreich.
Ich möchte endlich ein Bekenntnis von ihr hören und wiederhole ihren Satz, dass man bei der Erziehung natürlich Fehler mache. Als Nichtmutter verstünde ich davon nichts und würde gern wissen, an welche Fehler sie dabei denke.
Die Gesunde Abwehr wirkt, noch ehe Petra Prönsfeldt den Beutel in der zweiten Tasse übergossen hat. Meine Nachfrage geht im lauten Rauschen des Wasserkochers unter und wird ignoriert.
»Mein Mann ist beim Pastor«, wechselt sie das Thema, als sie die Becher auf den Tisch stellt. »Er will wissen, warum uns
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