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Kehrseite der Geschichte unserer Zeit (German Edition)

Kehrseite der Geschichte unserer Zeit (German Edition)

Titel: Kehrseite der Geschichte unserer Zeit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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kontradiktorischer Verhandlung protestiert... das sind die Folgen meines Elends, mein Herr... Bei bescheidenster Bewertung würde für die erste Auflage dieses riesigen Werkes, des Ergebnisses zehnjähriger Arbeit und sechsunddreißigjähriger Erfahrung, ein Preis von mindestens zehntausend Franken angemessen sein... Nun, vor fünf Tagen bot mir Morand tausend Taler und meine quittierten Wechsel für das volle Eigentum daran... da ich nicht dreitausendzweihundertvierzig Franken aufzutreiben vermag, so werde ich es ihnen, wenn Sie nicht dazwischen treten, wohl hingeben müssen... Sie haben sich nicht mit meinem Ehrenworte begnügt; zu ihrer größeren Sicherheit verlangten sie Wechsel, die sie protestieren ließen und ausklagten, so daß sie mich verhaften lassen können. Wenn ich sie bezahle, dann haben die Wucherer ihr angelegtes Geld verdoppelt; wenn ich mit ihnen abschließe, werden sie ein Vermögen verdienen, denn der eine von ihnen ist ein früherer Papierhändler, und Gott weiß, wieviel sie noch bei der Drucklegung ersparen können. Und da sie meinen Namen dazu besitzen, so wissen sie, daß der Absatz von zehntausend Exemplaren garantiert ist.«
    »Aber wie können Sie, mein Herr, Sie, ein ehemaliger hoher Beamter!...«
    »Was wollen Sie? Nicht einen Freund! Nicht einen, der sich meiner erinnerte!... Und ich habe doch viele Köpfe gerettet, wenn ich auch welche abschlagen lassen mußte!... Und dann, meine Tochter, meine Tochter, deren Krankenwärter ich bin, der ich Gesellschaft leisten muß, denn ich arbeite nur nachts ... Ach, junger Mann, nur die Unglücklichen können über das Elend urteilen... Heute denke ich, daß ich einstmals zu streng gewesen bin.«
    »Mein Herr, ich wünsche nicht Ihren Namen zu wissen. Ich kann nicht über tausend Taler verfügen, zumal da ich Halpersohn und Ihre kleinen Schulden bezahlen will; aber ich werde Sie retten, wenn Sie mir schwören, daß Sie nicht über Ihr Werk verfügen wollen, ohne mich vorher benachrichtigt zu haben; es ist nicht möglich, sich auf ein so bedeutendes Geschäft einzulassen, ohne Fachleute befragt zu haben. Meine Prinzipale sind vermögend, und ich kann Ihnen einen Erfolg versprechen, wenn Sie mir tiefstes Geheimnis zusichern wollen, selbst Ihren Kindern gegenüber, und wenn Sie Ihre Zusage halten...«
    »Der einzige Erfolg, den ich erstrebe, ist die Gesundheit meiner armen Wanda; denn solche Leiden löschen in dem Herzen eines Vaters jede andere Empfindung aus, und die Ruhmesliebe bedeutet dem nichts mehr, der das Grab vor sich offen sieht...«
    »Ich werde heute abend zu Ihnen kommen; Halpersohn wird jeden Augenblick erwartet, ich habe mir vorgenommen, alle Tage nachzusehen, ob er zurückgekommen ist... Ich will Ihnen den ganzen heutigen Tag opfern.«
    »Oh, wenn Sie die Heilung meiner Tochter erreichen können, mein Herr ... mein Herr ..., dann will ich Ihnen mein Werk überlassen!...«
    »Mein Herr,« sagte Gottfried, »ich bin kein Buchhändler.«
    Der Alte machte eine Bewegung des Erstaunens.
    »Was wollen Sie, ich habe die alte Vauthier das glauben lassen, um besser hinter die Ihnen gestellte Falle zu kommen...«
    »Aber wer sind Sie denn?«
    »Gottfried!« erwiderte der Neophyt. »Und da Sie mir gestatten, Ihnen so viel anzubieten, daß Sie etwas besser leben können,« fügte er lächelnd hinzu, »so können Sie mich ja Gottfried von Bouillon nennen.«
    Der Alte war zu erregt, als daß er über diesen Scherz hätte lachen können. Er streckte Gottfried die Hand hin und drückte die Hand seines Nachbars.
    »Sie wollen Ihr Incognito bewahren?...« sagte er, und sein Blick zeigte eine Mischung von Traurigkeit und Beunruhigung.
    »Wollen Sie mir das nicht erlauben?«
    »Nun gut, machen Sie das, wie Sie wollen!... Und kommen Sie heute abend; Sie sollen meine Tochter sehen, wenn ihr Befinden es gestattet...«
    Das war offenbar das größte Zugeständnis, das der arme Vater machen konnte; und aus dem dankbaren Blick, den ihm Gottfried zuwarf, ersah der Alte mit Genugtuung, daß er verstanden worden war.
    Eine Stunde später erschien Cartier mit herrlichen Blumen, erneuerte selbst den Inhalt der Jardinieren, tat frisches Moos hinein, und Gottfried bezahlte seine Rechnung ebenso wie die des Lesekabinetts, die bald darauf präsentiert wurde. Bücher und Blumen waren das Brot der armen kranken oder vielmehr gemarterten Frau, die sich mit so wenig Nahrung begnügte. Wenn er an diese, wie die des Laokoon, (dieses genialen Abbildes so vieler Existenzen)

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