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Kehrseite der Geschichte unserer Zeit (German Edition)

Kehrseite der Geschichte unserer Zeit (German Edition)

Titel: Kehrseite der Geschichte unserer Zeit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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davon, sage ich! Hätte er sich mir anvertraut, so hätte ich geschwiegen. So ist das!«
    »Ich bin noch kein Angestellter in einer Buchhandlung, aber ich werde es vielleicht bald sein.«
    »Das dachte ich mir doch «, sagte die Witwe Vauthier lebhaft, drehte sich um und verließ das Bett, das sie zurechtmachte, um einen Vorwand zu haben, bei ihrem Mieter zu verweilen. »Sie sind hergekommen, um ihnen die Sache vor der Nase wegzuschnappen. Wenn man gewarnt ist, ist man doppelt vorsichtig...«
    »Halt!« rief Gottfried und stellte sich zwischen die Vauthier und die Tür. »Was für ein Interesse haben Sie denn, um sich da hineinzumischen?«
    »Sieh, sieh!« bemerkte die Alte und sah Gottfried schief an, »Sie sind ja wirklich ein gerissener Schlaukopf!«
    Sie verriegelte die Türe des ersten Zimmers und setzte sich auf einen Stuhl am Kaminfeuer.
    »Mein Ehrenwort, so wahr ich Vauthier heiße, ich habe Sie für einen Studenten gehalten, bis ich sah, wie Sie Ihr Holz dem alten Bernard schenkten. Ach, Sie sind ein Schlauberger! Donner noch mal, was sind Sie für ein Komödiant!... Und da hielt ich Sie zuerst für einen Gimpel! Hören Sie mal, wollen Sie mir tausend Franken zusichern? So wahr wie der Tag scheint, mein alter Barbet und Herr Métivier haben mir fünfhundert Franken versprochen, wenn ich gut aufpasse.«
    »Die, und fünfhundert Franken?... Gehen Sie doch!« rief Gottfried, »höchstens zweihundert, Mütterchen, und auch bloß versprochen... Sie werden sie deshalb nicht verklagen können! Wenn Sie mir das Geschäft zuschieben können, daß sie mit Herrn Bernard machen wollen, würde ich vierhundert Franken geben!... Nun sagen Sie mal, wie weit stehen sie denn damit?«
    »Sie haben fünfzehnhundert Franken Vorschuß auf das Werk gezahlt, und der Alte hat ihnen ein Anerkenntnis über tausend Taler ausgestellt... Sie haben das immer so hundertfrankenweise hergegeben... absichtlich so, daß er immer in Not blieb... Sie sind es auch, die die Gläubiger auf ihn loslassen, sicher haben sie auch den Cartier hergeschickt...«
    Hier warf Gottfried einen durchdringenden ironischen Blick auf die Vauthier, der sie erkennen ließ, daß er verstanden hatte, welche Rolle sie zugunsten ihres Hausbesitzers spielte.
    Ihre Worte brachten ihm in zwiefacher Richtung Klarheit, denn jetzt erklärte sich auch die ziemlich merkwürdige Szene, die sich zwischen dem Gärtner und ihm abgespielt hatte.
    »Oh,« fuhr sie fort, »sie halten ihn an der Strippe; wo soll er jemals die tausend Taler hernehmen? Sie wollen ihm, wenn er ihnen die fertige Arbeit übergibt, fünfhundert Franken bieten und fünfhundert Franken für jeden Band, wenn er fertiggestellt ist... Die Sache wird auf den Namen eines Buchhändlers gemacht, den die beiden Herrn am Quai des Augustins etabliert haben ...«
    »Ach so, der kleine Dingsda?«
    »Jawohl, Morand, der frühere Kommis des Herrn... Es scheint, daß dabei viel Geld zu verdienen ist.«
    »Oh, man muß da viel Geld hineinstecken«, erwiderte Gottfried und verzog den Mund in bezeichnender Weise.
    Jetzt wurde leise an die Tür geklopft, und Gottfried, froh über die Unterbrechung, erhob sich, um zu öffnen.
    »Was gesagt ist, bleibt gesagt, Mutter Vauthier«, bemerkte Gottfried, als er Herrn Bernard erblickte.
    »Herr Bernard,« rief sie diesem zu, »ich habe einen Brief für Sie...«
    Der Alte ging einige Stufen mit ihr hinab.
    »Ach nein, ich habe gar keinen Brief, Herr Bernard. Ich wollte Ihnen bloß sagen, daß Sie sich vor dem kleinen jungen Mann hüten sollen, das ist ein Buchhändler.«
    »Ah, nun erklärt sich alles«, sagte der Alte zu sich. Und er kehrte zu seinem Nachbar mit völlig verändertem Gesichtsausdruck zurück.
    Dieser Ausdruck kalter Ruhe, mit dem jetzt Herr Bernard wieder erschien, kontrastierte so sehr mit der liebenswürdigen offenen Miene, in der sich die Dankbarkeit gespiegelt hatte, daß Gottfried über diese plötzliche Veränderung betroffen war.
    »Entschuldigen Sie, mein Herr, wenn ich Sie in Ihrer Ruhe störe; aber seit gestern überhäufen Sie mich mit Wohltaten, und der Wohltäter räumt dem Verpflichteten gewisse Rechte ein.«
    Gottfried verneigte sich.
    »Ich, der ich seit fünf Jahren alle vierzehn Tage die Passion Christi erdulde! Ich, der sechsunddreißig Jahre hindurch Vertreter der Gesellschaft und der Regierung als öffentlicher Ankläger war – ich mache mir, wie Sie sich denken können, keine Illusionen... nein, ich vermag nur noch Schmerz zu empfinden. Nun, mein

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