Kein Alibi: Roman (German Edition)
Tut mir Leid, dass ich sie nicht wieder runterkommen sah.«
»Du warst sicher beschäftigt.«
Der Schuhputzer lächelte. »Jawohl, Sir. Letzten Samstag ging’s hier zu wie am Hauptbahnhof. Ständig kamen und gingen Leute.« Er kratzte sich am Kopf. »Ist schon komisch, nicht? Dass ihr alle am selben Tag hier wart.«
»Wir alle?«
»Sie, diese Frau Doktor und der Anwalt.«
Smilows Gehirn arbeitete wie eine Eisenfalle, in die soeben jemand getreten war. »Anwalt?«
»Von der Bezirksstaatsanwaltschaft. Der aus dem Fernsehen.«
31
Hammond wartete im Korridor, bis er sah, wie Harvey Knuckle Punkt fünf sein Büro verließ. Gewissenhaft sperrte das Computergenie die Türe zu. Als er sich umdrehte, fand er sich von Hammond in die Ecke gedrängt. »He, Harvey.«
»Mr. Cross!«, rief er und drückte sich gegen die Tür. »Was machen Sie denn hier?«
»Ich denke, das wissen Sie.«
Knuckles hervorstehender Adamsapfel rutschte die magere Halssäule zuerst hinauf und dann wieder hinunter. Er schluckte heftig und hörbar. »Tut mir Leid, aber ich habe keinen blassen Schimmer.«
»Sie haben Loretta Boothe angelogen«, sagte Hammond unter Anspielung auf seinen Verdacht. »Stimmt’s?«
Harvey versuchte, seine nervösen Schuldgefühle hinter einer bockigen Haltung zu verstecken. »Ich habe keine Ahnung, wovon Sie reden.«
»Wovon ich rede? Von fünf bis zehn Jahren für Datendiebstahl.«
»Hä?«
»Harvey, ich könnte Sie mühelos in mehreren Punkten unter Anklage stellen. Es sei denn, Sie wären jetzt zu einer Kooperation mit mir bereit. Wer hat Sie gebeten, Dr. Alex Ladd zu überprüfen?«
»Pardon?«
Hammonds Augen nagelten ihn buchstäblich an der Bürotür fest. »Okay, schön. Suchen Sie sich schon mal einen guten Verteidiger.« Er drehte sich um.
»Nur Loretta«, platzte Harvey heraus.
Hammond drehte sich wieder um. »Wer noch?«
»Niemand.«
»Har-veee?«
»Niemand!«
»Okay.«
Entspannt fuhr sich Harvey rasch mit der Zunge über die Lippen, aber sein falsches Lächeln verschwand, als Hammond fragte: »Und wie steht’s mit Pettijohn?«
»Ich habe keine Ahnung –«
»Harvey, sagen Sie mir, was ich wissen will.«
»Sie wissen doch, Mr. Cross, dass ich Ihnen immer gerne helfe, aber diesmal habe ich keine Ahnung, wovon Sie reden.«
»Akten, Harvey«, sagte er mit schwindender Geduld. »Wer hat dich gebeten, Pettijohns Akten auszugraben? Geschäftsabschlüsse. Baupläne. Dokumente über Beteiligungen et cetera.«
»Sie«, quiekte Harvey.
»Ich habe dazu den legalen Weg benutzt. Ich möchte wissen, wer sich sonst noch für seine Geschäfte interessiert hat. Wer hat Sie gebeten, sich still und heimlich in diese Akten einzuklinken?«
»Wie kommen Sie darauf –«
Hammond trat einen Schritt näher und senkte die Stimme. »Wer Informationen haben wollte, musste zu Ihnen kommen, egal, wer’s war, also weichen Sie nicht aus und versuchen Sie nicht, mich mit dieser scheinheiligen Unschuldsmiene hinters Licht zu führen, sonst werde ich ganz schnell böse. Sie wissen ja, für einen Kerl wie Sie kann’s im Gefängnis ganz schön ungemütlich
werden.« Er wartete einen Moment, um die Drohung einsickern zu lassen. »Nun, wer war’s?«
»Z-zwei verschiedene Leute. Und zu verschiedenen Zeiten.«
»Vor kurzem?«
Harvey nickte so schnell, dass seine Zähne klapperten. »Ungefähr in den letzten Monaten.«
»Wer waren die beiden?«
»Detective Smilow.« Hammonds Miene blieb undurchschaubar. »Und wer noch?«
»Das sollten Sie wirklich wissen, Mr. Cross. Sie sagte, sie würde in Ihrem Auftrag fragen.«
Als gewohnheitsmäßiger Nachrichtenfreak schaute sich Loretta Boothe die frühen Abendnachrichten an, wobei sie zwischen den Kanälen hin und her zappte, um die einzelnen Varianten der Alex-Ladd-Story miteinander zu vergleichen.
Zu ihrer Bestürzung sah sie Hammond übel zugerichtet und mit einem Arm in der Schlinge vor den Kameras. Wann hatte er sich verletzt? Und wie? Sie hatte ihn doch noch gestern Abend gesehen.
Kurz nach Ende der Nachrichten – das Glücksrad fing gerade an – kam ihre Tochter Bev in Arbeitskleidung durchs Wohnzimmer. »Mom, ich hab mir zum Mittagessen einen Makkaroniauflauf gemacht. Im Kühlschrank steht noch eine Menge davon für dich zum Abendessen. Auch Salat ist noch da.«
»Danke, Schatz, aber ich habe noch keinen Hunger. Vielleicht später.«
Zögernd blieb Bev an der Wohnungstür stehen. »Ist alles in Ordnung?«
Loretta sah die Sorge in den Augen ihrer
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