Kein Alibi: Roman (German Edition)
Tochter, den Argwohn. Die Harmonie zwischen ihnen war immer noch zerbrechlich. Beide wünschten sich verzweifelt, dass diesmal alles gut ging. Und beide fürchteten, es könnte anders kommen. Keine von beiden traute Lorettas jüngsten Zusicherungen, dazu waren schon allzu oft Versprechen gebrochen worden. Alles hing davon ab, dass sie nüchtern blieb. Das war das Einzige, was sie tun musste, aber es war viel.
»Mir geht’s gut.« Sie lächelte Bev aufmunternd zu. »Erinnerst du dich noch an den Fall, an dem ich gearbeitet habe? Er kommt nächste Woche vors große Schwurgericht.«
»Dank deiner Informationen?«
»Teilweise.«
»Also, Mom, das ist ja toll. Du hast immer noch den Dreh raus.«
Bei Bevs Kompliment wurde ihr warm ums Herz. »Danke, aber vermutlich heißt das, dass ich jetzt wieder arbeitslos bin.«
»Ich bin sicher, dass du nach dem Erfolg noch mehr Arbeit bekommst.« Bev zog die Tür auf. »Mach dir’nen netten Abend. Wir sehen uns dann morgen früh.«
Nachdem Bev fort war, schaute Loretta weiter die Spielshow an, allerdings nur, weil sie nichts Besseres zu tun hatte. Heute Abend verursachte die Wohnung Klaustrophobie, obwohl die Zimmer nicht kleiner als gestern oder vorgestern waren. Die Rastlosigkeit hatte nichts mit der Umgebung zu tun, sie kam von innen.
Sie überlegte, ob sie ausgehen sollte, aber das wäre riskant. Ihre Freunde waren Alkoholiker. In ihren Stammlokalen lockte die Versuchung, wenigstens einen Drink zu bestellen. Aber schon ein einziger bedeutete das Ende ihrer nüchternen Periode, und sie wäre wieder genau da, wo sie gewesen war, bevor Hammond sie zur Mitarbeit am Pettijohn-Fall angeheuert hatte.
Sie wünschte, diese Aufgabe wäre noch nicht vorbei. Nicht nur wegen des Geldes. Obwohl Bev für sie beide genug verdiente, wollte Loretta ihren Beitrag zum Haushaltsgeld leisten. Erstens wäre das gut für ihr Selbstwertgefühl, und außerdem brauchte sie die Unabhängigkeit, die mit einem eigenen Einkommen verbunden war.
Außerdem würde sie nicht auf ihren Durst achten, solange sie arbeitete. Nichtstun war eine Gefahr, der sie unbedingt aus dem Weg gehen musste. Immer wenn sie nichts Sinnvolles zu tun hatte, sehnte sie sich nach etwas, das ihr verboten war. Mit Zeit im Überfluss kamen die Gedanken: wie trivial ihr Leben in Wirklichkeit war. Dass es eigentlich egal war, ob sie sich zu Tode soff. Dass sie es sich selbst und allen, die mit ihr etwas zu tun hatten, viel leichter machen könnte. Eine gefährliche Gedankenkette.
Wenn sie es sich richtig überlegte, hatte ihr Hammond gar nicht eindeutig erklärt, dass er ihrer Dienste nicht mehr bedurfte. Nachdem sie ihm den Knüller über Dr. Alex Ladd gegeben hatte, war er aus der Bar gestürmt, als ob ihm der Hosenboden brannte. Obwohl er irgendwie bedrückt gewirkt hatte, hatte er es nicht erwarten können, ihre Informationen sofort zu verwenden. Das musste sich inzwischen ausgezahlt haben, denn nun sollte er seinen Mordfall dem Gericht vortragen.
Wahrscheinlich war es überflüssig gewesen, dass sie heute mit Harvey Knuckle Kontakt aufgenommen hatte. Hammond hatte gehetzt und gar nicht sonderlich interessiert gewirkt, als sie ihm von ihrem Verdacht erzählte, Harvey könnte sie angelogen haben. Zum Kuckuck, was sollte es? Diese kleine zusätzliche Mühe hatte sie doch nichts gekostet.
Trotz Hammonds undefinierbaren Verletzungen hatte seine Stimme kräftig und voll Überzeugung geklungen, als er sich auf den Stufen des Polizeipräsidiums an die Reporter gewandt hatte. Er erklärte, das Auftauchen von Bobby Trimble sei der Wendepunkt in diesem Fall gewesen.
»Auf Grund seiner stichhaltigen Aussage bin ich zuversichtlich, dass gegen Dr. Ladd Anklage erhoben wird.«
Im Gegensatz dazu hatte Dr. Ladds Anwalt, den Loretta nur von seinem guten Ruf her kannte, den Medien erklärt, dies sei der ungeheuerlichste Fehler, den die Charlestoner Polizei und Staatsanwalt Cross je begangen hätten. Er sei überzeugt, dass Dr. Ladd rehabilitiert würde, sobald alle Fakten ans Licht kämen, und sich Die-da-Oben in aller Öffentlichkeit bei ihr entschuldigen müssten. Er erwäge bereits, Verleumdungsklage zu erheben.
Loretta erkannte die typische Anwaltssprache sofort. Allerdings hatten Frank Perkins’ Aussagen besonders gefühlsbetont geklungen. Entweder war er ein exzellenter Redner oder ehrlich von der Unschuld seiner Mandantin überzeugt. Vielleicht hatte Hammond die falsche Verdächtige.
Wenn ja, würde er sich im bisher wichtigsten
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