Kein Anschluss unter dieser Nummer - Roman
Alles wäre anders gelaufen, wenn sie es nicht im Zug vergessen hätte. Organisation war schließlich ihre Stärke.
Sie erinnerte sich an einen Kommentar ihrer Mutter und musste lächeln. Sie wird alles im Griff haben. Wenn es darum ging, die Dinge im Griff zu haben, waren Christy Davies und ihr iPhone ein unschlagbares Team. Sie hatte es immer geschafft. Nur heute nicht. Zum ersten Mal war ihr alles entglitten. Mürrisch blickte sie aus dem Fenster auf die Passanten, ohne sie wirklich wahrzunehmen. Normalerweise würde sie jetzt mit ihrem iPhone Termine checken, Anrufe erledigen, Klienten Rückmeldungen geben, Wegbeschreibungen runterladen, Nachrichten lesen … und jetzt gab es nichts als Beine auf dem Bürgersteig, hupende Autos, ein italienisches Supermodel, ein Diadem und einen orientalischen Teppich.
In ihrem Kopf flammten Lichtblitze auf. Vermutlich war sie im Delirium. Menschen sagten doch oft, sie hätten Lichtblitze gesehen, als ihnen schwindelig wurde, oder? Aber dann richtete sich Christy kerzengerade auf. Ihr war nicht schwindelig. Das waren Blitzlichter
von Kameras - direkt neben ihnen auf dem Bürgersteig.
»Nein! Lieber Gott, lass es nicht sie sein!«
Toni beugte sich zum Fenster und sah hinaus. Seine Augen leuchteten auf, als er einen Blick auf die gertenschlanke Blondine im Minirock erhaschte, die von Paparazzi umschwärmt den Bürgersteig entlangklackerte.
Miss H hatte Gucci verlassen und stolzierte direkt neben dem Taxi. Dicht auf den Fersen folgte ihr der Leibwächter, beladen mit Einkaufstüten exklusiver Geschäfte. Sie ging in Richtung ihres Apartments.
Endlich setzte sich das Taxi in Bewegung und fuhr im Schritttempo weiter. Aber dann blieb es schon wieder stehen. Der Nachmittagsverkehr hatte endgültig seinen Höhepunkt erreicht. Christy hätte am liebsten geschrien.
Es würde ein Kopf-an-Kopf-Rennen werden.
17. Kapitel
17.05 Uhr
Miss Hs Diadem abgeben.
Mrs Dallaglios Teppich reinigen.
A uf der Hitliste der verrücktesten Dinge, die einem im Leben passieren können, stand dieses ganz oben: In einem Taxi die Straße entlangzukriechen und verstohlen diese perfekten Beine zu beobachten, die sich im gleichen Tempo vorwärts bewegten. Christy hatte den Kragen ihrer Jacke hochgeschlagen und schirmte ihr Gesicht mit der Hand ab. Sie wagte kaum zu atmen, während Miss H mit ihren Skyscraper-Heels neben ihr über den Bürgersteig klackerte. Glücklicherweise saß Toni an der Bürgersteigseite, und der Teppich zwischen ihnen diente als zusätzlicher Sichtschutz. Trotzdem pochte Christys Herz so heftig, als wolle es jeden Moment aus ihrem Brustkorb hüpfen und mit einem Platsch direkt vor Miss Hs Stilettos landen.
»Wir müssen sie aufhalten!«, zischte Christy. Im nächsten Moment meinte sie, Miss H würde in das Taxi spähen. Christy duckte sich und verrenkte den Körper, bis sie unterhalb des Wagenfensters verschwand.
»Hilf mir!«, flehte sie Toni an. »Sag mir, was sie tut. Bitte!«
Toni zwinkerte ihr zu und blickte wieder aus dem Fenster.
Christy verdrehte die Augen. »Geht sie weiter?« Sie ahmte mit den Händen eine Gehbewegung nach.
»Sì«, antwortete Toni. »Foto, Foto, Foto!«
»Geht Ihnen gut, kleine Mama?« Der Taxifahrer blickte besorgt über die Schulter nach hinten. »Sie ohnmächtig?«
»Wie bitte? Oh nein, alles in Ordnung!« Christy wurde rot. »So tut mein Rücken weniger weh!«
»Ah, Rückenschmerz!« Er nickte wissend. »Sie brauchen Yoga. Baby-Yoga, ist gut für Rücken.«
»Danke für den Tipp. Das werde ich mal ausprobieren«, murmelte Christy und fügte ihrem Berg Sorgen eine neue Ladung Schuldgefühl hinzu.
Toni betrachtete derweil Miss H mit mitleidigem Gesicht. Er wandte sich Christy zu, hob das Bein und rieb sich den Fuß. Dann deutete er mit dem Daumen auf Miss H und verzog schmerzhaft das Gesicht.
»Gucci, Prada, au«, sagte er.
»Ha«, schnaubte Christy, als ihr klarwurde, dass sich Miss H offenbar die schmerzenden Füße rieb. »Ich wünschte, drückende Schuhe wären mein einziges Problem.«
»Zu Hause Sie legen Füße hoch, ja?«, mischte sich der Fahrer ein.
»Das werde ich«, versicherte Christy. Vorsichtig riskierte sie einen neuerlichen Blick durchs Fenster. Miss H stand immer noch direkt neben dem Wagen. Sie müsste nur die
Hand ausstrecken und könnte die Taxitür öffnen. Eine zutiefst nervenaufreibende Vorstellung.
»Hübsche Lady«, merkte der Fahrer an. »Aber Rock sein viel zu kurz. Meine Tochter niemals so
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