Kein Applaus Für Podmanitzki - Satirisches
mich nicht zu gestehen, daß ich in solchen Fällen immer den Kopf senke und, um meinen Gleichmut auf die Probe zu stellen, die Ouvertüre zu »Wilhelm Tell« vor mich hinsumme.
Der Maestro bat freiwillige Assistenten aus dem Publikum auf die Bühne. Es kamen keine.
»Fürchten Sie sich nicht, es ist ja nur ein Spiel«, ermunterte uns Maestro Max. »Ein kleiner Scherz, ein Experiment, nichts weiter. Kommen Sie, seien Sie keine Spaßverderber. Oder wenn Sie nicht auf die Bühne kommen wollen, dann stehen Sie wenigstens von Ihren Plätzen auf. Für mich macht das keinen Unterschied.«
Da und dort im Zuschauerraum erhoben sich ein paar Neugierige, wissensdurstige Studenten vielleicht oder geltungsbedürftige Ehemänner, und zitterten vor Lampenfieber. »Steh auf«, lockte mich eine innere Stimme. »Wovor fürchtest du dich, du Jammerlappen?« Ich wand mich auf meinem Sitz hin und her und wies die innere Stimme zur Ruhe: »Schweig. Du weißt doch, daß ich die Öffentlichkeit scheue. Außerdem muß ich Rücksicht auf meine Frau nehmen. Laß deine taktlosen Lockungen. Schweig!«
Der Briefmarkenhändler neben mir erhob sich, machte jedoch kein Hehl daraus, daß er die ganze Sache für einen Schwindel hielt. Maestro Max forderte die Freiwilligen auf, die Finger zu verschränken, die Hände über den Kopf zu heben und die Augen zu schließen. Gideon übersetzte Maxens Anordnungen in ein fließendes Hebräisch, manchmal in das genaue Gegenteil dessen, was Max sagte, aber immer fließend.
»Verschränken Sie Ihre Hände fester«, befahl er. »Fester!«
Es hatte den Anschein, als wäre Gideon der Hypnotiseur und Max nur sein Assistent.
»Sie können Ihre Finger nicht mehr öffnen!« rief Gideon.
»Sie möchten, aber Sie können nicht... weder Ihre Finger noch Ihre Augen... so sehr Sie sich auch bemühen, es geht nicht... «
Endlich ließ sich wieder der Maestro vernehmen:
»Wer Lust hat, soll jetzt auf die Bühne kommen!«
Seine Stimme klang schneidend und unangenehm. Überhaupt wirkte er nicht sehr sympathisch, besonders für einen Hypnotiseur. Das Ergebnis seiner hypnotischen Bemühung war denn auch mehr als dürftig.
Der Briefmarkenhändler öffnete mühelos die Augen und zwinkerte mir verschwörerisch zu. Dann trat er den Weg auf die Bühne an.
»He!« rief ich ihm nach. »Wohin gehen Sie? Sie stören ja nur!«
»Gewiß«, lautete die Antwort. »Aber ich bekomme meine Finger nicht auseinander.«
Damit bestieg er die zur Bühne führende Treppe und marschierte an dem fassungslosen Gideon vorbei. Maestro Max vertrat ihm den Weg, riß ihm die Hände auseinander, schwang sie einmal nach rechts und einmal nach links, zerrte sie dann heftig abwärts und sah sein Opfer durchbohrend an.
Der Briefmarkenhändler brach lautlos zusammen, schlug mit dem Kopf auf dem Fußboden auf und schlief ein.
»Mir ist gerade eingefallen, daß ich eine wichtige Verabredung habe«, flüsterte ich meiner Frau zu.
»Du bleibst hier und rührst dich nicht«, flüsterte die beste Ehefrau von allen zurück. »Der Mann ist großartig.«
Maestro Max stieg auf den Bauch des Briefmarkenhändlers und vollführte dortselbst einige prüfende Tanzschritte.
»Er schläft noch tief genug«, erklärte er. »Gehen wir weiter.«
Beeindruckt von dem Bauchtanz war eine Anzahl Freiwilliger dem Briefmarkenhändler gefolgt. Max vollzog an jedem von ihnen die gleiche Armpendel-Operation. Einer nach dem anderen sank zu Boden. Nur bei einem einzigen funktionierte es nicht, er fiel lediglich auf die Knie, blieb aber bei vollem Bewußtsein und protestierte lauthals gegen diese Art der Behandlung. Ein zweiter Pendelgriff brachte ihn zum Schweigen.
Befriedigt überblickte Max die Reihe der Daliegenden.
»Sie fühlen nichts mehr«, wandte er sich beruhigend an das Publikum, hob zum Beweis zwei der Daliegenden - es handelte sich um Vertreter der wißbegierigen Studentenschaft - vom Boden auf und warf sie in hohem Bogen auf zwei leere Stühle, die am anderen Ende der Bühne standen. Die Stühle zerbrachen unter der Wucht des Anpralls, aber die Anprallenden schliefen ruhig weiter, ein seliges Lächeln auf den Lippen.
Diesem Idyll setzte Max sogleich ein Ende.
»Sie haben heiße Kohlen in Ihren Schuhen«, teilte er den reglos Daliegenden mit. »Sie leiden entsetzlich... Sie können es nicht mehr ertragen...«
Tatsächlich: Die beiden Studenten begannen sich zu krümmen, und ihre eben noch lächelnden Gesichter verzerrten sich in namenloser Qual. Einige
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