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Kein Biss unter dieser Nummer

Kein Biss unter dieser Nummer

Titel: Kein Biss unter dieser Nummer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Janice Davidson
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ihrem heiß geliebten aromatisierten Wodka genommen hatte und dass sie eine Weile auf dem Dachboden gewesen war, vermutlich um mit Marc zu plaudern. (Ihr Beschützerinstinkt für ihn war nach seiner Rückkehr als Zombie erwacht.)
    Nicht schlecht, oder? Und dann ist da noch etwas: Ich weiß diese Dinge, ohne überhaupt daran zu denken. Ohne angestrengt zu lauschen, ohne zu Tina zu gehen und an ihr zu schnüffeln, ohne nach ihr Ausschau zu halten. Ich weiß sie einfach.
    Ebenso konnte ich all das aber auch ausblenden, wenn ich wollte. Ich versuchte, mir eine Situation aus meinem früheren Leben als Nicht-Vampir vorzustellen, in der es mir ähnlich ergangen war. Allerdings fiel mir nichts Besseres ein als dieser Moment auf dem Flughafen, wenn man auf dem Weg zu seinem Gate ist, umgeben von Dutzenden oder vielleicht Hunderten von Menschen. Sie unterhalten sich, essen, arbeiten oder sind auf dem Klo, und wir wissen unbewusst, dass all das geschieht, dass der Strom des Lebens uns umgibt, an uns vorbeifließt, vielleicht sogar durch uns hindurch, ohne dass wir diesen Dingen besondere Aufmerksamkeit schenken. Wir wissen einfach, dass all das passiert. Und wenn wir wollen, können wir in den Strom abtauchen und uns die spezielle Sache herauspicken, nach der wir gesucht haben.
    Das war die beste Analogie, die mir einfiel, und die war für eine Analogie nicht gerade der Kracher. Dennoch fragte ich mich …
    »Mein Gott, Tina, du hast mich höllisch erschreckt!« Und gleich darauf murmelte Mom: »Oh, entschuldige bitte!«
    Tina, die bei dem Wort »Gott« zusammengezuckt war, lächelte. »Ist schon gut, Dr. Taylor.«
    »Ja, das andere Taylor-Mädchen bricht das dritte Gebot mehrmals am Tag«, sagte Sinclair neckend. Er war für seine Begriffe lässig gekleidet und trug einen Anzug von Joseph Abboud aus grauer Wolle, den er schon mehrere Jahre besaß – also quasi Jeans und Sweatshirt in der Sinclair-Version. Er hatte den Welpen immer wieder heimlich etwas vom Tisch zugesteckt, und nachdem sie sich die Bäuche mit Toast vollgeschlagen hatten, hatten die beiden in typischer Babymanier beschlossen, von jetzt auf gleich ein Nickerchen zu machen. Klonk. Schnarch. »Dennoch halten wir uns wacker aufrecht.«
    »Ich dachte, das dritte Gebot handelt davon, dass man keine anderen Götter neben dem großen Mann haben soll«, sagte Marc, der sich sofort für dieses neue Rätsel begeisterte. »Oder nicht?«
    »Nein, das ist das erste Gebot. Viele halten es für das wichtigste, doch ich denke, es ist nur das wichtigste für den großen Mann.« Das Wort »Gott« klang in Vampirohren, als kratzte man mit den Fingernägeln über eine Schiefertafel. Fragen Sie mich nicht, wie schmerzhaft erst Weihnachtslieder für Vampire sind! Den ganzen Monat über würde sich Tina vermutlich nicht in die Nähe eines Ladens wagen. Daher unser »Großer Mann«-Euphemismus. »Also ich bin für Nummer fünf. Ich halte ›Du sollst nicht töten‹ für das wichtigste Gebot.« Ich fing ihre erstaunten Blicke auf. »Was denn? Sonntagsschule. Gelegentlich erinnere ich mich an nützliche Dinge. Manchmal sogar mehr als einmal am Tag!«
    Sinclair beugte sich zu meiner Mom, seine Körpersprache schrie förmlich: »Beflissene Fürsorge!« Tatsächlich fragte er: »Geht es Ihnen gut, Dr. Taylor? Sie wirken bekümmert.«
    »Bekümmert! Ja!« Mom ballte die Hände, mit denen sie sich eben die Haare gerauft hatte, zu Fäusten, zuckte zusammen und ließ sie wieder sinken. »Ich versuche, euch allen zu sagen, dass etwas mit Jessicas Baby nicht zu stimmen scheint, und ihr wollt über nichts anderes reden als über Laura und …«
    »Da wir gerade von Miss Goodman sprechen«, begann Tina und winkte mir mit ihrem Handy zu. »Sie hat angerufen.«
    Nein, sie winkte mir mit
meinem
Handy zu. Wo hatte sie das denn her? Oh. Ich wagte es nicht, Sinclair anzuschauen. Als wir am vergangenen Abend ohne Baby Jon nach Hause gekommen waren, hatte uns plötzlich das Verlangen überwältigt, uns ein wenig zu vergnügen, und zwar so heftig, dass wir diesem Verlangen unverzüglich nachgeben mussten. Da unser Schlafzimmer für sofortiges Vergnügen jedoch nicht in erreichbarer Nähe lag, hatten wir uns in das erstbeste verlassene Zimmer zurückgezogen, was rein zufällig Tinas Büro gewesen war.
    Dieser Augenblick würde jedoch gar nicht vergnüglich werden.
    »Ja. Nun. Hier ist Euer Handy, Majestät.« Sie reichte es mir. Schweigend nahm ich es entgegen. Ich traute mich immer noch nicht, Sinclair

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