Kein Biss unter dieser Nummer
Verständnis.«
Sie seufzte. »Das war sarkastisch gemeint.«
So ein Quatsch
. »Soll das die nächsten Stunden etwa in diesem Stil weitergehen?«
»Verdirbt dir mein Kummer über meine ermordete Mutter etwa die Stimmung?«
»Erstens: Ja. Zweitens: Aber so was von.« Ich streckte meine Hände aus wie ein Polizist, der den Verkehr regelt. Ein Verkehrspolizist, der versucht, den Antichristen auf einen sicheren Weg zurückzuführen. »Na schön, von mir aus. Du hast jedes Recht, motzig …«
»Motzig!«
»… zu sein, doch den anderen gegenüber ist es unfair. Also, wenn es dein Plan ist, mich bei jeder sich bietenden Gelegenheit niederzumachen, warte, bis wir zwei allein sind, damit wenigstens unsere Freunde und Familie …«
»Hör auf, sie so zu nennen!«
»… von deinen Sticheleien verschont bleiben!«
»Also, ich weiß nicht«, sagte Marc nachdenklich. Er sah so hingerissen aus, als hätte er beim tollsten Tennismatch aller Zeiten einen Platz in der ersten Reihe ergattert. »Ich hab mir schon alles angeschaut, was der Festplattenrekorder hergibt, und bis die neue Staffel von
Sons of Anarchy
im Fernsehen läuft, wird sich mir wohl kaum so schnell ein neues Drama bieten.«
»Na los, Ladys!« Nicht-Nick seufzte und zog für Jessica den Stuhl zurück. Er hatte bereits mehrere Gläser an ihren Platz gestellt, doch keine Orangen dazugelegt. »Seid nett zueinander! Es ist Thanksgiving.«
»Das ist es
nicht
.«
»Oh, sind wir aber pingelig!«, erwiderte ich bissig. »Bei Feiertagen geht es doch nicht ums Datum, wenn man einmal davon absieht, dass natürlich jedes Unternehmen und jede Schule und jedes Regierungsbüro im Land darüber Bescheid wissen sollte, an welchem Tag sie schließen müssen.« Ja, ich weiß, ich hätte mir die moralische Überlegenheit bewahren sollen (ich bekam selten genug die Gelegenheit dazu). Aber nach reiflicher Überlegung, welche Personen an diesem Gespräch beteiligt waren und wo das Ganze stattfand, wurde mir klar, dass ich alles nur vermasseln konnte. »Du hast allen Grund, sauer zu sein, darüber sind wir uns alle einig. Allerdings möchte ich auch feststellen, dass du uns anlügst. Du bist nämlich kein bisschen sauer darüber, dass der Hals von
the Artist formerly known as
Lena Olin mit meinem Schwert Bekanntschaft geschlossen hat.«
»Was hast du gerade gesagt?«
»Ha, das ist der Beweis!«, rief ich und deutete auf sie. »Du bist nicht wütend! Du wolltest einfach nur zum Trübsalblasen herkommen, denn du bist blond.« Uh. Vielleicht sollte ich das etwas umformulieren, damit es nicht wie ein Blondinenwitz klingt. »Woher weiß man, dass der blonde Antichrist nicht wütend ist? Weil sie blond ist!
»Das ist
Nice’n’Silky
Nummer 43«, kam die knappe Antwort. »Farbton ›Schimmernder Weizen‹.«
»Aber das ist grauenhaft!« Ich konnte mein Entsetzen nicht verbergen. »Dieses Zeug ist viel zu scharf – hörst du denn nie zu, wenn die freundliche Friseurin dich berät? Wenn es in deinem Friseursalon keine Farbberatung gibt, was ich mir ehrlich gesagt nicht vorstellen kann, denn wir leben ja schließlich nicht mehr im Jahr 1955, dann hättest du immer noch im Internet nachschauen oder eine der Servicenummern anrufen können. Was hast du dir nur dabei gedacht, mit solchen Scheuklappen herumzulaufen, du leichtsinnige Närrin? Dieses Zeug wird dir die Spitzen ruinieren, und den Ansatz wird man auch sehen. Die Haare saugen die Farbe auf, und zwar ungleichmäßig, weil das Zeug nämlich die Follikel beschädigt, aber das ist noch nicht mal das Schlimmste …«
»Konzentriere dich bitte auf das wahre Problem statt auf den Teil des Problems, den du glaubst, in den Griff bekommen zu können!« Es klang wie ein Jaulen. Mir gefiel jedoch, dass Laura selbst dann noch ein »bitte« in ihre Sätze einflocht, wenn sie vor Wut schäumte.
Jessica hatte sich auf den Stuhl gesetzt, den Nicht-Nick ihr unter dem Tisch herausgezogen hatte. Auch er hatte Platz genommen. In ihren Gesichtern zeigte sich der gleiche genervte Ausdruck. Marc saß, das Kinn auf die Hand gestützt, ihnen gegenüber und beobachtete uns. Sinclair, Tina und meine Mom standen einfach nur da. Lustigerweise wusste ich, dass diesen drei so unterschiedlichen Menschen mehr oder weniger der gleiche Gedanke durch den Kopf schoss: Die beiden müssen das ausdiskutieren, also sollten wir ihnen die Gelegenheit dazu geben.
Ich betrachtete immer noch eingehend die hinterlistig in die Irre führenden gefärbten Haare des
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