Kein Biss unter dieser Nummer
das ging mir gewöhnlich wie selbstverständlich von der Zunge.
Doch jetzt war nichts mehr selbstverständlich. Das Denken bereitete mir Schwierigkeiten, kein Wunder bei all dem roten Zeug in meinen Augen und dem Dröhnen in meinen Ohren, die, da war ich mir sicher, ebenfalls schweinemäßig bluteten.
Ich spürte, wie sich ihre heißen, kleinen Hände um meinen Hals schlossen und zudrückten. Wild schlug ich um mich. Und traf … nichts. Hätte mir mal Zeit für einen Kampfkunstkursus nehmen sollen. Mit Yoga kann man gegen Satan herzlich wenig ausrichten.
Es ist schwierig, den Teufel zu beschimpfen, während man gerade von ihm erwürgt wird, doch ich schaffte es. »Erstaunlich! Je älter … wirst … dümmer wirst …«
»Ja, das tut er wohl«, sinnierte Satan mit nachdenklichem Ausdruck auf ihrem blutigen Gesicht. »Er muss. Es ist eines seiner ureigensten Gesetze. Ich glaube, ich …«
»…schloch!«
»Ich glaube, ich will … ich möchte … heimkehren.«
»Hör auf!«, ertönte plötzlich Lauras gellende Stimme ungefähr eine Galaxie entfernt. »Hör auf, tu’s nicht! Du bringst sie ja um, lass das!«
Keine Ahnung. Keine Ahnung, zu wem sie da sprach. Zu ihrer Mom? Ihrer Schwester? Zu einem Mitspieler, der später nachnominiert worden war? Wow, schaut euch bloß mal all das Blut an, das aus mir rinnt! Fast so viel wie bei einem lebenden Menschen. Unheimlich.
»Tu’s nicht! Tu’s nicht! Was tust du da? Lass sie los!«
Es war gut, dass Laura da war. Beinahe da war. Was hielt sie denn auf? Ich brauchte sie hier. Mein Plan würde ohne ihr Beisein nicht funktionieren. Oh, Laura, es tut mir ja so leid, dass du hier bist!
Satan grinste mich mit blutigen Zähnen an. Ihr Haar hatte sich aus der adretten Frisur gelöst, und sie sah nun Medusa ähnlich. Mit ein wenig Glück würde sie nicht mehr als eine pflegende Haarmaske brauchen, nachdem sie mich zu Tode gewürgt hatte. »Oh-oh.«
»Hab ich auch … grad gdcht«, gurgelte ich.
»Du musst es vor ihren Augen tun.«
»… kkk …«
»Du musst ihr die Zukunft nehmen, während sie zuschaut.«
»… nnn …«
»Er oder sie, Betsy? Jetzt muss es sich entscheiden.«
»… Gefallen …«
»Was?«, fragte sie. Ich schaffte es, einen wohlgezielten Schlag mitten in ihr schmales Gesicht zu landen. Endlich hatte ich sie doch einmal erwischt. Wirklich erwischt. Sie musste nicht länger Überraschung markieren. »Was ist, dummes Ding?«
»… will einen … Gefallen … einen letzten Wunsch … will ich …«
Es lag vermutlich an den Schädelverletzungen, aber ihre Augen, die normalerweise braun waren und in letzter Zeit schwarz wie ein sternenloser Nachthimmel, schienen zu brennen. Sie sahen aus, als stünden sie in Flammen … und das war nicht richtig. Satan war kein Mensch, sondern ein gefallener Engel, ich tötete gerade einen Engel, und der Engel tötete mich. Sie war eine Kreatur, die ich nicht begreifen konnte, nie hätte begreifen können, eine Erklärung zu fordern war nur Zeitverschwendung gewesen und hatte ihre Verachtung lediglich gesteigert. Ihre Augen waren mit nichts zu vergleichen, was ich je gesehen hatte, ihre Augen … ihre Augen … Oh Gott, hilf mir bitte! Gott, ihre furchtbaren, furchtbaren Augen …
»Ja! Einen! Für das, was du tun wirst. Und jetzt tu es! Deine schlimmste Seite, Vampirkönigin, zeig mir deine schlimmste Seite und wähle!«
Fast hätte ich es nicht gekonnt. Nie zuvor in meinem Leben hatte ich solche Angst gehabt. Doch am Ende siegte meine Sturheit.
(Scheiß auf dich, Lena Olin! Du machst mir Angst, aber du wirst sterben, oder ich werde noch mal sterben, und mir macht das nichts aus, denn die Zeit ist ein Rad …)
Ich streckte die Hand ins Leere …
»Stopp! Stopp! Stopp!«
… und packte das Höllenfeuerschwert des Antichristen …
»Nicht! Betsy! Mutter! Nicht!«
… das niemand außer Laura oder ihren Blutsverwandten schwingen konnte …
»Lass mich los! Was machst du … lass los!«
… und stieß es dem Teufel ins Herz. Oder zumindest an die Stelle, wo ihr Herz gesessen hätte, wenn sie eines gehabt hätte.
Lauras letzter Schrei brach ab, als hätte jemand einen Schalter umgelegt. Und vielleicht hatte das auch jemand getan.
Entsetzt starrte Satan auf den Lichtstrahl, der aus ihrer Brust ragte. Ich muss gestehen, ich war auch überrascht, obwohl es mit ziemlicher Sicherheit genau das war, was sie gewollt hatte, was sie seit der Minute von Lauras Geburt geplant hatte und seit der Minute, als ich von den
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